Landeshauptstadt: Sechsfach gedreht für 30 000 Euro
Stadtverordnete nehmen Prüfbericht zum Bau- und Denkmalamt mit Erstaunen zur Kenntnis
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Selbst der PDS-Mann Siegmar Krause ist Günther Jauch jetzt dankbar: Jahrelang habe er sich als Chef des Beschwerdeausschusses mit dem schlechten Stil der Stadtverwaltung auseinandergesetzt, berichtete Krause gestern Abend im Hauptausschuss. Beschwerden von Bürgern habe es zuhauf gegeben – über Arroganz, Rechthaberei, Ungleichbehandlung. Allerdings habe er der Verwaltung in diesem Jahr „resignativ“ nicht mal mehr einen Bericht darüber gefertigt: „Wir hatten die Hoffnung aufgegeben.“
Jetzt aber ist sie sogar bei Krause wieder da – dank der vor drei Monaten öffentlich geäußerten Kritik des TV-Moderators Jauch an der Denkmalbehörde, die gestern in der Vorstellung des Battis-Prüfberichts gipfelte. Die 53-Seiten-Fassung des eigentlich doppelt so umfangreichen Gutachtens versetzte die Stadtverordneten ins Staunen: Obwohl der Bericht erst zu Beginn der Sitzung ausgereicht worden war, machten sich Erschrecken und Ernüchterung schnell breit. So darüber, dass die Denkmalpflege Günther Jauch die Auflage gab, für Kellerfenster sechsfach gedrehte Eisengitter zu verwenden – die rund 30 000 Euro kosten und damit ein Vielfaches der dreifach gedrehten, die es „für ein paar Cent“ gebe, wie Prüfer Ulrich Battis sagte.
Aus seinem Bericht geht auch hervor, dass der letzte erhaltene Knobelsdorff-Dachstuhl der Stadt in der Schlossstraße offenbar wegen Unachtsamkeit der Denkmalbehörde abgerissen werden konnte. Der Abrissantrag habe sich in den Genehmigungsunterlagen befunden, sei aber übersehen worden. Ein später verfügter Baustopp kam zu spät. Die Aktenführung im Denkmalamt sei mehr als mangelhaft – auch das habe sich bei der Prüfung von 63 großen und kleinen Vorgängen von insgesamt etwa 20 Investoren gezeigt, sagte Battis. Dass es Ungleichbehandlungen gegeben habe, hänge aber auch mit fehlenden „Leitplanken“ zusammen, wie Anwalt Christian-W. Otto als Mitglied der Battis-Kommission sagte: Die Führung der Behörden habe sie nicht gesetzt.
Während SPD, CDU und die Grünen die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Bau- und Denkmalamt im Battis-Bericht zunächst zur Kenntnis nahmen, stellt Linkspartei.PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg die Ergebnisse teilweise in Frage. Er wolle wissen, welche Fehler tatsächlich gemacht wurden und welche aus der „hohen Arbeitsbelastung“ heraus zu erklären seien. Gleichzeitig bezweifelte er, dass die Dienstanweisung von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) im Fall Villa Gericke „nicht zu beanstanden“ sei, wie der Bericht feststellt.
Dass Jakobs mit deutlichen Worten die Verantwortung für die Missstände in der Verwaltung übernahm, honorierte die Mehrheit der Stadtverordneten mit einer Zustimmung zum „Sanierungsprogramm“ für Bau- und Denkmalamt. Externe Fachleute sollen laut Jakobs nicht nur neue Strukturen schaffen, sondern auch einen „Mentalitätswechsel“ bei den Mitarbeitern. Gleichzeitig soll die Denkmalbehörde nicht nur ins Haus der Bauverwaltung umziehen, sondern auch mehr Personal bekommen. Die Wartezeit auf Bescheinigungen für Steuerabschreibungen sei mit neun Monaten zu lang. Ausführlich soll der Battis-Bericht in zwei Wochen erneut im Hauptausschuss diskutiert werden.
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