Landeshauptstadt: Seit fast einem Jahrhundert mit dem Rad unterwegs
Die 86-jährige Rentnerin Ingeborg Schleis würde ihren Drahtesel nicht gegen einen Goldesel eintauschen
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Mit einem Affenzahn saust Ingeborg Schleis an den Straßenpassanten vorbei. Einige graue Strähnen wirbeln verspielt um den, in der Sonne glänzenden Helm. Die Räder ihres blauen 28er Damenfahrrads drehen sich dynamisch im Rhythmus. Die 86-jährige Rentnerin wirkt alles andere als gebrechlich. „Jeden Tag fahre ich 20 bis 30 Kilometer durch Potsdam“, verrät sie. Rad fahren ist Schleis Passion – ein Leben lang schon. Ihre Lieblingstour beginnt am Affengang am Grünen Gitter. Von dort aus fährt sie durch Park Sanssouci zum Neuen Palais und weiter Richtung Kuhfort. „Die breiten Wege durch den Wald sind ideal zum fahren“, sagt Schleis. Doch die Radliebhaberin fühlt sich nicht auf allen Straßen in Potsdam sicher. Um die Zeppelinstraße fährt sie seit längeren einen großen Bogen. „Zwei mir entgegenkommende Radfahrer haben mich dort zu Fall gebracht und ich habe mir den Ellenbogen gebrochen“, sagt sie und ihre Miene verdunkelt sich. Mitschuld an diesem Unglück, tragen die schlecht ausgebauten Radwege auf der Zeppelinstraße bei. Das der Unfall nicht noch tragischer endete, verdankt sie ihrem Kopfschutz. „Früher wollte ich nie einen Helm tragen. Das sieht doch blöd aus, wenn so eine Alte mit Helm fährt, dachte ich immer. Aber eigentlich guckt da gar keiner hin“, sagt sie mit einem herzlichen Lachen auf den Lippen. Je länger sie über ihren geliebten Sport spricht, desto mehr Erinnerungen schweben ihr im Gedächtnis. Seit 1992 gehört Schleis dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) an. „Früher fuhren wir täglich Touren bis zu 80 Kilometer durch Potsdam und Umgebung“, sagt Schleis. Doch heute fährt die aktive Rentnerin ihre Wege meist alleine. Angekommen am Waldfort, radelt sie weiter in Richtung Pirschheide. „Wenn man dort am Wasser entlang fährt, kann man die Seeluft herrlich genießen“, sagt Schleis. Ein Umweg, um nicht durch die von ihr ungeliebte Zeppelinstraße fahren zu müssen, führt sie dann wieder nach Hause. Julia Göthling
Julia Göthling
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