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Landeshauptstadt: Sensible Fragen nach dem Seelenheil Oberlin-Azubis vor ihrer Fahrt nach Auschwitz
Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen, wie es die Auszubildenden des Berufsbildungswerks im Oberlinhaus sind, wären während der NS-Zeit durch Euthanasie-Programme oder medizinische Versuche wahrscheinlich ermordet worden. Zwölf von ihnen beschäftigen sich derzeit intensiv mit dem Dritten Reich und insbesondere mit dem Schicksal von Behinderten in dieser Diktatur.
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Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen, wie es die Auszubildenden des Berufsbildungswerks im Oberlinhaus sind, wären während der NS-Zeit durch Euthanasie-Programme oder medizinische Versuche wahrscheinlich ermordet worden. Zwölf von ihnen beschäftigen sich derzeit intensiv mit dem Dritten Reich und insbesondere mit dem Schicksal von Behinderten in dieser Diktatur. In Kürze starten sie zu einer dreitägigen Fahrt nach Polen, um dort das Konzentrationslager Auschwitz zu besuchen.
„Es ist ein sehr sensibles Thema“, sagt Jugendpfarrer Phillip Mosch. Die Vorbereitung auf die Fahrt ist deshalb umfangreich. So ist zum Beispiel eine Exkursion in das Berliner Jüdische Museum geplant. Bereits gestern war einer der Überlebenden von Auschwitz, Willy Frohwein, eingeladen, um über seine Erlebnisse im KZ zu sprechen.
Die Jugendlichen interessieren sich vor allem für die Gemütslage des 86-Jährigen. Sachliche Fakten wollen die Heranwachsenden nicht wissen, dafür aber stellen sie immer wieder Fragen nach dem Umgang mit seinen Ängsten während der Inhaftierung, nach seinem Überlebenswillen und der Verarbeitung der schrecklichen Erlebnisse in den Jahrzehnten danach. „20 Jahre lang wollte und konnte ich mit niemandem darüber sprechen“, sagte Frohwein, nachdem er den Schülern seine Jahre im KZ beschrieben hatte. Auch den Kontakt zu anderen Auschwitz-Überlebenden hatte Frohwein gemieden, ja selbst seiner Familie erzählte er nichts von seinen immer wiederkehrenden Albträumen in der Nacht. Nur einmal sei er nach 1945 in Auschwitz gewesen, mehr durch Zufall. „Ich habe während des Besuchs die ganze Zeit nur gequatscht und erzählt, weil ich nicht nachdenken wollte. Ich wäre sonst zusammengebrochen.“ Auf die Frage, wie er während der drei Jahre in Auschwitz die Kraft zum Weiterleben gefunden habe, war Frohwein dann auch ehrlich und fand keine Antwort: „Ich war mehrfach an einem Punkt, an dem ich lieber sterben wollte. Aber es gibt scheinbar einiges, was stärker ist als dein Wille“, schilderte Frohwein den jungen Zuhörern seine Gedanken.
Morgen geht es für die zwölf angehenden Mediengestalter auf Exkursion ins Jüdische Museum. Dort ist derzeit die Schau „Tödliche Medizin – Rassenwahn im Nationalsozialismus“ zu sehen. Es werde ein Ausflug, der die Jugendlichen weiter sensibilisiere, ist sich Pfarrer Mosch sicher. Künftig will er regelmäßig anbieten, mit behinderten Azubis des Oberlin-Berufsbildungswerks nach Auschwitz zu fahren. KG
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