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Liebhaberobjekt. Ein Jahr dauerten die aufwendigen Sanierungsarbeiten der Villa von Dechend, bei denen jedes Detail originalgetreu restauriert wurde. Seit 2012 wohnen Volkmar Busse und seine Frau Nicola in dem Haus.

© Sebastian Gabsch

Landeshauptstadt: Sie blüht wieder

Die Villa von Dechend und ihr allgegenwärtiger Blumenschmuck wurden vor fünf Jahren aufwendig restauriert. Am Tag des offenen Denkmals ist sie fürs Publikum zugänglich

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Die Liebe zur Natur zeigt sich in vielen Details. Die Schlüssellöcher der Türen sind mit stilisierten Fliegen bedeckt. An den Decken ranken sich Stuckblumen, die Treppengeländer aus dunklem Holz sind aufwendig floral geschnitzt. So zieht sich das Leitmotiv, das schon beim ersten Anblick der denkmalgeschützten Villa von Dechend in Neubabelsberg an den Blumenbemalungen unter dem Giebel und den Fensterläden auffällt, innen weiter. Auch die gusseisernen Geländer der Außentreppen zieren Blumen. „Wir wissen zwar nicht, wer der Architekt war, aber er muss ein großer Blumenliebhaber gewesen sein“, sagt Volkmar Busse, Besitzer des Hauses.

Die Natur- und Blumenmotive passen in die Heimatschutzbewegung, während der die Villa unweit vom Griebnitzsee entstanden ist. 1908 wurde sie fertig gestellt. „In diesen Jahren ab 1900 etwa gab es eine Rückbesinnung auf die Natur“, erklärt Antje Graubaum von der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Potsdam. „Das war eine Gegenbewegung zur aufkommenden industriellen Revolution, ein Rückzug ins Häusliche, Private.“ Zeitgleich entwickelten sich auch Natur- und Heimatschutzvereine.

So präsentiert sich die von gepflegtem Rasen umgebene Villa von Dechend als Mischung aus Stadtvilla und Landhaus, auf der auch Jugendstilmotive und moderne Elemente zu finden sind. Als der Architekt Volkmar Busse die Villa 2010 gemeinsam mit seiner Frau kaufte, konnten die beiden nur erahnen, wie schmuck diese einmal aussehen könnte. Zehn Jahre lang stand das Haus leer. Die Malerei am Giebel war kaum noch zu erkennen, der Putz an manchen Stellen großflächig abgebrochen. Das Dach war undicht, einige Decken von der Feuchtigkeit schon durchgebrochen. Trotzdem hat es das Haus den Busses angetan, als sie an einem lauen Maiabend vorbeispazierten. „Wir hatten ein anderes Objekt besichtigt, danach haben wir das hier per Zufall entdeckt“, erinnert sich Nicola Henneberg-Busse. An der Tür war eine Plastikfolie, „zu verkaufen“ stand darauf, mit einer Handynummer. Die Neugier war geweckt, die beiden kletterten über den Zaun und schauten sich das unbewohnte Haus genauer an. Wenige Monate später gehörte es ihnen, zwischen 2011 und 2012 ließen sie es aufwendig sanieren.

Wie viel die Restaurierung des Liebhaberobjekts gekostet hat, will Busse nicht verraten. Aber wer mit dem 57-Jährigen durch die holzvertäfelten Räume im Erdgeschoss geht, wo er auf den Blumenerker im Klavierzimmer hinweist, auf die originalen Holzschiebetüren oder auf die dunkelroten Fliesen mit grünen Verzierungen, die eine Spezialfirma im Wintergarten restauriert und ergänzt hat, kann sich leicht vorstellen, dass es ein Vermögen war. Das Glück: Trotz vieler Besitzerwechsel war innen zwar alles in schlechtem Zustand, aber noch vorhanden. So konnten die rund 20 beteiligten Firmen bei der Sanierung alles originalgetreu wieder herrichten. Eine Potsdamer Firma etwa goss die fehlenden, im geometrischen Jugendstil gehaltenen „Oliven“, wie die Metallknäufe an den Fenstern im Fachjargon genannt werden, nach.

So sieht die Villa heute, von den eher modernen Möbeln abgesehen, wohl wieder etwa so aus, wie sie Anfang des vergangenen Jahrhunderts für Ida von Dechend gebaut wurde. Sie war die Frau von Friedrich von Dechend, Geheimrat und Mitglied des Patentamts und gab der Villa ihren Namen. Wenige Jahre später übernahm Familie Friedländer das Haus. Margarete Friedländer heiratete nach dem Tod ihres Mannes Georg Lehmann, Kaufmann und Gründer des Deutschen Tischtennis-Bundes und des Tischtennis-Weltverbandes. Nach weiteren Besitzerwechseln wurde die Villa 1945 zur sowjetischen Militärkommandantur. Aus dieser Zeit stammen auch einige Gegenstände, die die Bauarbeiter unter den Treppen oder in verschiedenen Winkeln des Hauses bei der Sanierung auftrieben und die Busse im Keller in einer Vitrine und Bilderrahmen privat ausstellt.

Ein russischer Fünfjahresplan, ein Etikett einer Kaviardose, eine Anleitung für eine Handgranate und einige leere Wodkaflaschen gehören zu den wenigen geschichtlichen Zeugnissen, die die neuen Besitzer übernommen haben. Die offiziellen Urkunden sind bei einem Brand im Rathaus Babelsberg zerstört worden. In der DDR-Zeit gehörte die Villa dann zur Kaderschmiede „Akademie für Staat und Recht“. Nach der Wende kaufte sie ein Investor, zusammen mit zahlreichen anderen Häusern, doch er ging pleite. Aus dem Insolvenzbestand kaufte Familie Busse die Villa.

Seit die Restaurierung abgeschlossen ist, wohnt das Paar mit ihrem Sohn in dem Haus. Unter dem Dach und im Keller sind zwei Mietwohnungen. „Wir haben uns hier einen Traum verwirklicht“, sagt Volkmar Busse. Bei der Sanierung sei wohl kein Quadratzentimeter unbehandelt geblieben – dafür ergibt sich nun eine stimmige Einheit. Und man muss nicht zwingend Blumenliebhaber sein, um die Verzierungen allerorten zu bestaunen und die Details zu bewundern.

Robert-Koch-Straße 3 in Potsdam-Babelsberg, Familie Busse öffnet am 10. September von 10 bis 14 Uhr ihren Garten

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