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Biblisches Alter. Herta Hätscher ist seit fast 75 Jahren Diakonissin.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Sie kann noch immer zupacken

Die Potsdamer Diakonissin Herta Hätscher feierte ihren 102. Geburtstag

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Als Schul-Mädchen hatte sie noch „Heil dir im Siegerkranz“ – die „Kaiserhymne“ – gesungen. Doch mittlerweile sind alle Kaiser, Diktatoren und Staatsratsvorsitzenden längst Geschichte. Herta Hätscher hingegen ist noch da. Heute singt die Diakonissin „Nun danket alle Gott“, denn die Potsdamerin wurde am Donnerstag 102 Jahre alt. Zur gestrigen Feierstunde gratulierte nicht nur die Beigeordnete für Bildung, Kultur und Sport, Iris Jana Magdowski (CDU), sondern auch fünf andere Diakonissen, die noch im Oberlinhaus wohnen. Eine ihrer Kolleginnen, die Diakonissin Charlotte Lange, die erst vor wenigen Wochen ihren 100. Geburtstag gefeiert hatte, war kurz danach verstorben. Herta Hätscher stimmt das traurig: „Sie war doch jünger als ich.“

Herta Hätscher war selbst die jüngste von drei Geschwistern. 1910 wurde sie im polnischen Posen geboren. Sie erinnert sich noch gern an ihre Kinderjahre: „Ich hatte eine wunderschöne Kindheit“, sagt sie und erzählt davon, wie ihr polnischer Onkel sie und ihre Familie immer unterstützt habe: „Mein Onkel war Baumeister – wir hatten dank ihm ein sehr schönes Haus mit einem Garten. Ging man durch das Gartentor, war man gleich im Wald. Oft habe ich dort Pfifferlinge und Steinpilze gepflückt.“ Die Erinnerung an ihr Geburtshaus lässt Tränen in Hätschers Augen treten, denn nach dem Ersten Weltkrieg musste sie mit elf Jahren ihre Heimat verlassen – ein Schicksal, dass man heute eher von Berichten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kennt, wie Matthias Fichtmüller, Pfarrer und Vorstandsvorsitzender des Oberlinhauses, anmerkt. Bald fand Hätscher jedoch eine Aufgabe, die sie ihr Leben lang ausfüllen sollte: Mit 21 Jahren ging die junge Frau gegen den Wunsch ihrer Eltern ins Oberlinhaus in Babelsberg. So kommt es, dass Hätscher 2012 noch ein weiteres Datum zu feiern hat: Am 24. Oktober findet ihr 75-jähriges Schwestern-Jubiläum statt.

„Es spielt für sie eine große Rolle, eine Aufgabe zu haben“, sagt Pastor Friedrich Wilhelm Pape, „das hat sie lebendig und gesund gehalten.“ Mit großer Hingabe, so Pape, habe sie von 1943 bis 1968 als Stationsschwester in der Kinder- und Säuglingsstation der Oberlinklinik gearbeitet. In den Ruhestand ging sie erst mit 75 Jahren – und das nur ungern. Auch heute noch ist Hätscher erstaunlich aktiv: „Sie hat keine Pflegestufe, macht sich ihr Essen selbst und liest täglich zwei Tageszeitungen“, sagt Schwester Kerstin vom Oberlinhaus. Hilfe braucht die Jubilarin nur beim Gehen: Als sie zu ihrem Platz an der Geburtstagstafel geführt wird, meint sie: „Stehen kann ich, nur gehen ist nicht mehr so einfach.“ Und wer ihr die Hand gibt, wird überrascht sein, welch kräftigen Händedruck die alte Dame noch immer hat. Sie nickt lächelnd: „Das sagen alle!“

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