Landeshauptstadt: Siebenjähriger Firmenchef

110 Potsdamer können heute Geburtstag feiern – endlich. Zu ihnen gehört der Student Marten Lehmann, der scherzhaft sagt, er werde sieben Jahre alt. Der 28-Jährige kann nur alle vier Jahre genau an dem Tag Gratulationen entgegen nehmen, an dem er auch geboren wurde. Wie 55 000 andere Deutsche auch erblickte er an einem 29. Februar das Licht der Welt, an einem Tag also, der nur alle vier Jahre wieder kehrt, in einem Schaltjahr. Schuld daran hat die Sonne, die 365,2422 Tage braucht, um erneut im sogenannten Frühlingspunkt zu stehen. Liefe der Kalender jahrein jahraus mit glatten 365 Tagen, würden sich die Jahreszeiten durch den natürlichen Überhang verschieben. Schon die alten Ägypter führten im Jahr 238 vor Christus für jedes vierte Jahr einen Schalttag an. Im heute geltenden Gregorianischen Kalender ist es der 29. Februar, der heutige Tag, der Geburtstag von Marten Lehmann.

Mangels 29. war für ihn in seiner Kindheit immer der 28. Februar der „Geschenketag“. Gefeiert wurde am Wochenende danach. Aber vermisst hat er weniger den verschwundenen Geburtstag als einen frisch gepflückten Blumenstrauß, den es im Februar eben nicht geben kann.

Nun, als Erwachsener, sagt er, ist die Tatsache, dass er Geburtstag hat, kaum noch wichtig. Marten Lehmann studiert Informatik an der Potsdamer Uni – nicht zu verwechseln mit den „Informatik-Proleten“ vom Hasso-Plattner-Institut, die lediglich lernten, Software anzuwenden, während die Uni-Informatiker Software erstellten. Freilich klingt das sehr selbstsicher, dabei ist Marten Lehmann, wie er selbst sagt, eher ein sensibler Typ, ohne ein Softi zu sein.

Allerdings hätte der Babelsberger dennoch gute Gründe, von sich überzeugt zu sein, schließlich ist Marten Lehmann Vorstand der Variomedia AG, die ihm zu 50 Prozent gehört. Den letzten Studentenjob hatte er Silvester 2000 in der Küche des Restaurants Alex in der Wilhelm-Galerie. Dann gründete er mit einem Freund eine GmbH, eine Internet-Firma, die Dienstleistungen im Internet anbietet. Heute ist die Firma eine Aktiengesellschaft, die beiden Freunde haben drei Angestellte. Das alte 190 Quadratmeter große Büro wurde zu klein. Die Variomedia AG residiert nun auf 470 Quadratmeter gegenüber vom Studio Babelsberg und Marten Lehmann kann sagen: „Es läuft schon wirklich gut.“ Kredite habe die Firma nicht aufnehmen müssen. Die jungen Leute kreieren die Oberflächen der Internet-Auftritte ihrer Kunden selbst, Marten Lehmann hat viel zu tun. Ein paar Jahre hat er in einer Raggae- Band gespielt, doch dazu hat er nun keine Zeit mehr. Selbst in seinem Wohnzimmer steht ein großer Arbeitstisch mit zwei Apple-Monitoren darauf. Wenn er dort nicht arbeitet, nutzt er seine Freizeit etwa, um mit seiner Freundin zu „Bad Taste Partys“ zu gehen, Partys, wo die Leute möglichst schlecht angezogen hingehen, etwa mit 80er-Jahre-Leggins oder mit schrägen Pelzmänteln. Was er sich zu seinem Geburtstag wünscht? Sein Leben besser zu organisieren, mehr Zeit zu haben und später, im Alter, „nicht reich und kinderlos zu sein“. Das wäre ihm zu öde. Guido Berg