
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Siedlung der Vergangenheit
Die Finanz-Affäre um die Ruinenstadt der ehemaligen Krampnitzer Kasernen versetzt die Landespolitik in Aufruhr. Ein Ortstermin
Stand:
Krampnitz - Es bewegt sich etwas in den alten Häusern. Leise Stimmen sind durch die entglasten Fensterrahmen zu hören, kurze Zeit später tritt eine Frau mit zwei Herren auf die Straße. Sie halten Akten in der Hand, haben sich die Gebäude der früheren Offizierssiedlung auf dem 110 Hektar großen Areal angesehen. Wer sie sind? „Desakon“, sagt einer. „Wir vertreiben die Häuser und wollen so schnell wie möglich anfangen zu sanieren.“
Ein überraschendes Treffen am Donnerstagmorgen, ausgerechnet hier, auf dem Gelände der Krampnitzer Kasernen, wo seit fast zwei Jahrzehnten nichts geschah, von Investoren keine Spur war. Ganz zu schweigen davon, dass der Verkauf des früheren Militärareals aus Landesbesitz vor drei Jahren das politische Brandenburg erschüttert. Nun scheint es endlich loszugehen. Die Desakon, die das in Angriff nimmt, verkauft in Berlin-Karlshorst aufwendig rekonstruierte Wohnungen in alten Kasernen des früheren russischen Oberkommandos. Sieht es so bald in Krampnitz aus? In Potsdam, dessen Bevölkerung explodiert, wo die Mieten steigen und Wohnungen knapp werden, ist es die einzige größere Entwicklungsfläche.
Wer heute in die Hannoversche Straße in Krampnitz einbiegt, an der hinter einem eisernen Tor mit roten Sowjet-Stern ein Dutzend Potsdamer leben, wird von Janne Jakobs empfangen. „Unsere Heimat. Unsere Zukunft. Unsere Stadt“ steht auf dem meterhohen Wahlplakat des Oberbürgermeisters vor der größten Militärbrache der Landeshauptstadt. In den einzigen bewohnten Häusern, an deren Gärten sich die Offiziershäuser der Kaserne anschließen, sind derzeit Wohnungen zu vermieten. 450 Euro Kaltmiete werden für die 61 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung verlangt. Frei ab sofort.
Dahinter liegt das Gelände, von dem die Rote Armee 1994 abgezogen ist, im Dornröschenschlaf. Die alten Holztreppen der Ein- und Zweifamilienhäuser sind morsch, die Dachstühle sehen nicht so aus, als würden sie noch Monate die Last der schweren Ziegel tragen. An manchen Fenstern hängen Gardinen, halb zerrissen und grau. In den Zimmern rollt sich die Tapete von den Wänden. In einem Raum mit Ofen, Holzdielen und einem Fenster hängen Poster. „Bravo 1992“ steht auf einer Ecke des Bildes, auf dem sich Kim Basinger leicht bekleidet räkelt.
Vor den Häusern sind Sträucher und Bäume in die Höhe geschossen, anderswo haben Vandalismus und jahrelanger Leerstand deutliche Schäden an der Substanz hinterlassen. Brandspuren zeichnen die Plattenbauten, in denen die Soldaten gewohnt haben. „Die werden ohnehin abgerissen“, sagen die Entwickler von der Berliner Firma Desakon, die schon die frühere russische KGB-Zentrale in Berlin vermarktet hat. In Krampnitz, einer Stadt in der Stadt, ist derzeit aber nicht mehr als die Vergangenheit zu erkennen. Das soll sich ändern.
Ein Entwicklungskonzept, das der ursprüngliche Eigentümer TG Potsdam der Stadt und den Stadtverordneten vorgelegt hat, soll im ersten Bauabschnitt umgesetzt werden. Die Sanierung der Offizierssiedlung ist geplant. Steuerliche Abschreibung winken, denn die zwischen 1937 und 1939 gebaute Anlage steht unter Denkmalschutz. Neubauten dürften derzeit allerdings nicht entstehen, denn die Stadtverwaltung hat die Erarbeitung eines Bebauungsplanes aufgeschoben. Vor einem Jahr wurde entschieden, dass andere Projekte dringlicher sind. Damals argumentierte die Verwaltung: Der Eigentümer habe seine Vorhaben trotz mehrmaliger Nachfragen nicht konkretisiert. Am Donnerstag sagten Vertreter von Desakon, man sei in Gesprächen mit der Stadt. Die Verwaltung allerdings hatte gestern keine Kenntnis von einem neuen Interessenten. J. Brunzlow
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: