
© Andreas Klaer
M100 Young European Journalist Workshop Potsdam: Sind wir wirklich so frei, wie wir denken?
Junge Journalisten diskutieren in dieser Woche auf dem M100 Young European Journalist Workshop in Potsdam die Gefahren von Propaganda.
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Seit fünf Jahren arbeitet er für den armenischen Sender Kentron TV, berichtet über die Innenpolitik des Landes sowie über den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach. Dabei hat Aharon Hayrapetyan nicht immer völlig freie Hand, bestimmte Themen sind für ihn als armenischen Fernsehjournalisten tabu. Wie er mit diesen Beschränkungen und somit auch gewissen Vorgaben in seiner Arbeit umgeht, diskutiert er derzeit mit 24 anderen Teilnehmern auf dem M100 Young European Journalist Workshop.
Der Workshop, der vom Potsdam Media International e.V. organisiert wird, richtet sich an talentierte Nachwuchsjournalisten zwischen 18 und 26 Jahren und findet regelmäßig im Vorfeld der alljährlichen M100-Medien-Konferenz statt, zu der am kommenden Donnerstag hochkarätige Journalisten und Politiker aus aller Welt in Potsdam erwartet werden. Die Teilnehmer des Nachwuchsjournalisten-Workshops kommen aus der Ukraine, Moldawien, Georgien, Belarus, Armenien und Aserbaidschan und beschäftigen sich dieses Jahr mit Propaganda im Journalismus.
Über einen Kollegen hatte Aharon Hayrapetyan von dem Potsdamer Workshop erfahren und ohne viel zu überlegen sofort zugesagt, wie er sagt. „Es ist einfach eine wunderbare Gelegenheit, sich mit anderen Journalisten auszutauschen“, so der 27-Jährige. „Ich erhoffe mir vor allem mehr über Mittel der Propaganda zu erfahren und wie wir es schaffen, sich ihr zu entziehen.“ Für ihn selbst sei das nicht immer einfach, da zwar die Printmedien in Armenien sehr frei schreiben dürften, er als Fernsehjournalist aber an gewisse Regeln gebunden sei. „Man kann eigentlich nicht mal sagen, dass es richtige Regeln sind, aber man weiß, es gibt Dinge über die man nichts sagen darf“, erklärt Hayrapetyan, der im November 2013 auch am Turkey-Armenia Journalist’s Dialogue Programme in Istanbul teilnahm, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, türkische und armenische Journalisten zusammenzubringen. So dürfe man zwar die Regierung kritisieren, jedoch niemals etwas Negatives über die Familie des Präsidenten sagen. Eine Gradwanderung also, bei der er oft zu einem Teil der Außeneinwirkung werden muss, wie Hayrapetyan erklärt. Er betont aber auch, dass sich alle Journalisten, auch solche, die in westlichen Ländern arbeiten, stets bewusst sein sollten, dass propagandistische Beeinflussung jederzeit und überall stattfinden kann.
Seine Workshop-Kollegin Sophie Schriever stimmt dem zu: „Auch hier bei uns versuchen Politiker oder große Firmen ständig Einfluss auf die journalistische Arbeit zu nehmen“, sagt sie. Die 20-Jährige ist die einzige deutsche Teilnehmerin und noch ganz frisch in der journalistischen Welt. Gerade erst hat sie ihren Bachelor in Politikwissenschaften abgeschlossen, in dessem Zusammenhang sie ein Jahr am Institut d’Etudes Politiques in Aix en Provence verbrachte. Danach absolvierte sie Praktika beim TV-Sender Arte in der „Géopolitique“-Redaktion und beim Auslandsstudio der ARD in Paris. Schon dabei wurden ihr die Grenzen der journalistischen Arbeit bewusst. „Es ist ja immer nur ein kleiner Ausschnitt der Geschehnisse, die wir abbilden können“, erklärt sie. Allein schon bei der Auswahl der Themen oder Interviewpartner selektiere jede Redaktion von Anfang an. Außerdem bringe jeder seine eigenen Haltungen mit in den Beruf, die unterbewusst mit einfließen würden. „Meiner Meinung nach ist eine vollkommen neutrale Berichterstattung ein Ideal, das kaum erfüllbar ist“, sagt sie. „Wir können dem nur versuchen so nahe wie möglich zu kommen, indem wir wirklich alles hinterfragen, selbst wenn wir eine positive Meinung dazu haben.“
Olesya Yaremchuk nickt zu dieser Aussage heftig und betont, wie wichtig es sei, dass auch die Länder in dieser Hinsicht besser zusammenarbeiten müssten. Die 24-jährige Ukrainerin ist Bloggerin und Journalistin und hat bei verschiedenen internationalen Redaktionen gearbeitet, zuletzt bei der ukrainischen Tageszeitung „Day in Kiew“. Zurzeit arbeitet Olesya freiberuflich für die Tageszeitung „Day“, die Webseite Litakcent sowie die Zeitschriften „New Eastern Europe“, „UZH“ und „Prosto ne“. Außerdem hat sie Praktika bei der Deutschen Welle in Bonn und beim „Hamburger Abendblatt“ absolviert, bei denen sie merkte, wie stark die russische Propaganda in Bezug auf die Situation in der Ukraine auch die deutschen Medien beeinflusst. „Beim Hamburger Abendblatt gab es eine Person die russisch sprach und somit immer nur Kontakt zu russischen Berichterstattern hatte“, erzählt sie. „Ich hatte das Gefühl, dass ich dort quasi nötig war, um eine ausgewogene Balance reinzubringen.“ Trotzdem es nie gelinge, die vollkommene Wahrheit abzubilden, sollten Journalisten immer mehrere Seiten beleuchten, um der Propaganda zu entgehen. Denn dass diese überall lauert und entgegen aller Meinungen ein globales Problem sei, darüber sind sich alle drei Kursteilnehmer einig.
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