
© J. Bergmann
Straßenmusiker in Potsdam: Singen für die Fahrkarte
Der Straßenmusiker Tim Anders wurde auf der Brandenburger Straße in Potsdam entdeckt. Jetzt bringt er sein erstes Album raus.
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Potsdam - An sein erstes Mal kann sich Tim Anders noch gut erinnern. Das war in Tübingen, kurz nach Abschluss der Koch-Lehre. Als Tim vermutlich schon ahnte, dass er viel lieber Musik machen würde als kochen. In einem Fußgängertunnel baute er sich auf und spielte drei oder vier Lieder, was er eben so draufhatte damals. „Acht Euro hab ich verdient. Das reichte grade mal für die Fahrkarte zurück nach Hause“, sagt er. Und trotzdem will er aus der Musik einen Beruf machen, auch wenn es ihn manchmal immer noch Überwindung kostet, sich auf die Straße zu stellen und er sich ein bisschen dazu zwingen muss – denn Job ist Job. „Ich muss ja Geld verdienen.“
Tim Anders wurde auf der Brandenburger Straße entdeckt
Jetzt ist Tim Anders ein ganzes Stück vorwärts gekommen. Im Oktober hat der 22-Jährige sein erstes Album rausgebracht. „Thoughts, Words & Moments“ erschien bei Entire Music, einem kleinen Label in Süddeutschland, zwei junge Leute, die extra für ihn eine Plattenfirma gegründet haben. Das hat ihm schon ein bisschen geschmeichelt. Auch die Geschichte, wie es dazu kam. Tim Anders wurde nämlich in der Brandenburger Straße entdeckt. „Ich hab da gespielt und zwei Monate später kam ein Anruf.“
Zehn Songs hat er nun veröffentlicht. Es geht um Zwischenmenschliches und die Natur, Heimatgefühle und ein bisschen Melancholie. Tim Anders singt Englisch, der einzige deutsche Song heißt „Herbstergreifend“. Er mag beide Sprachen, jedenfalls will er sich nicht entscheiden müssen, ob er nun Deutsch oder Englisch singt.
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Tim Anders stammt aus einer Kleinstadt in Baden-Württemberg. Nach der Schule ging er für ein Jahr nach Kentucky in den USA, machte den Highschool-Abschluss und zurück in Deutschland eine Lehre. Musik spielte immer eine Rolle, er war in einer Schulband und schrieb zunächst zu Hause haufenweise Texte. Bis sein Musiklehrer sagte, ein Instrument spielen zu können wäre doch nicht verkehrt. Also lernte er Gitarre. Das lag nahe, die Mutter hatte eine zu Hause rumzustehen. Aber als der Sohn später verkündete, dass er Musiker werden will und nach Berlin ging, fanden die das erst gar nicht gut, sagt Anders. Aber jetzt, wo es läuft, haben sie das akzeptiert.
Das Album ist ein Türöffner. Tim Anders und sein Band-Partner, Gitarrist Fabio Keller, spielten in diesem Jahr gut 40 Konzerte, in kleinen Clubs, aber auch als Vorband in größeren Häusern, zum Beispiel bei Mellow Mark, seinem Mentor, der ihn unterstützt. Auch Radioeins lud ihn kürzlich zu einem Interview ein. Mittlerweile muss sich Anders auch mit Dingen wie Steuern und Versicherungen beschäftigen. Er will diese Sache richtig machen.
Bauwagen in Werder (Havel)
Von seinem ersten richtigen Geld aus dem Plattenvertrag hat er sich eine neue Gitarre und einen Verstärker gekauft. Und einen Bauwagen. Der steht auf einem Grundstück in Werder (Havel). „Ich brauche beides, Stadt und Land“, sagt er. Er mag den Trubel in Berlin, aber ebenso die Natur. „Das inspiriert mich“, sagt er. Und auch wenn es wie ein Klischee klingt: Es sei wirklich so, dass er da auf den Stufen sitzt, die Wildgänse vorbeiziehen sieht und Lieder schreibt. Der Bauwagen, sein Kreativ-Ort, ist ein lange gehegter Wunsch. Zusammen mit seiner Freundin hat er ihn selbst Stück für Stück ausgebaut, jetzt sucht er Second- Hand-Möbel. Vielleicht hat die Sehnsucht nach der Natur auch was mit dem Jahr in Kentucky zu tun, wo er auf einer Farm arbeitete. Und sich diesen speziellen Südstaaten-Slang aneignete. „Musiker müssen manchmal nuscheln“, sagt er.
Was ihn selbst betrifft, wird er sehr deutlich. „Ich bin jetzt Musiker.“ Wann ist der richtige Zeitpunkt für diese Aussage? „Wenn man etwas richtig gern macht, auf einem gewissen Niveau und es einen immer weiter drängt. Dann hat man auch keine andere Wahl.“
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