Landeshauptstadt: Singen für ein Licht im Dunkel
Demenzkranke erleben die Umwelt durch Musik
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Jeder kennt das. Wenn einem eine Liedzeile nicht mehr einfallen will, singt man die ganze Strophe und – oh Wunder – plötzlich ist auch die vergessene Zeile wieder da. Singen ist ein gutes Mittel, Erinnerungen zu wecken und das wird als Musiktherapie auch bei alten Menschen und da wiederum speziell bei an Demenz Erkrankten genutzt. Seit Kurzem gibt es sogar einen Weiterbildungslehrgang an der Universität Münster, um Betreuungskräfte zu Musikgeragogen auszubilden. Gelehrt werden unter anderem Biografiearbeit und Musik, Stimme und Gehör im Alter, Musik und Demenz, aber auch interaktives Musizieren mit Bewegung und Tanz und das alles auf der Grundlage von Musik- und Alterspsychologie. Monika Schneider, die für das Kursana-Pflegeheim in Potsdam arbeitet, hat eine solche Weiterbildung abgeschlossen und setzt das Erlernte nun gemeinsam mit ihrer Kollegin Gabriele Fischer in Singestunden mit den Heimbewohnern um. Fischer, ehemalige Kantorin, die Klavier, Orgel, Flöte und Gitarre spielt, weiß aus Erfahrung, dass Musik selbst stark dementen Patienten die Umwelt wieder näherbringen kann, dass die alten Volkslieder Erinnerungen wecken und Lichter in der Dämmerung der Krankheit aufscheinen lassen. Auch miteinander kommen die Patienten durch das Singen wieder stärker in Kontakt.
Im geschützten Bereich der stark dementen Patienten bittet Fischer zum Singen. 27 Bewohner hat dieser Bereich und 17 davon sind erschienen, 16 Damen und ein Mann. Er hat sich in die Ecke am Fenster gesetzt, lässt die Lieder auf sich wirken, singt nicht mit, aber sein Kopf und seine Hände bewegen sich im Takt, als es „Im Frühtau zu Berge“ geht. Fischer wählt Lieder, die alle aus ihrer Jugend kennen, und einige der Damen brauchen gar keinen Text, sie erinnern sich plötzlich, wie es weitergeht mit „Hoch auf dem gelben Wagen“. Als Fischer fragt, wer das denn immer gesungen habe, kommt aus einer Ecke prompt die Antwort: Walter Scheel. Zu den textsicheren Sängerinnen gehört Ingeborg P., der plötzlich Tränen in die Augen schießen, als sie gefagt wird, wann sie eines der Lieder gesungen habe. „In meiner Jugend“, sagt sie. „Wir haben oft zusammengesessen und gesungen. Viel öfter als heute gesungen wird.“ Die Patienten kommen gern zur Singestunde, alles hat seinen festen Rahmen, jeder seinen festen Platz.
Heimleiterin Marianne Göttlicher ist stolz darauf, dass in ihrer Einrichtung so viel Unterhaltung, Beschäftigung, Sport und Musik angeboten wird. Täglich gibt es mehrere Veranstaltungen, von Gymnastik bis Bingo, von der Erzählstunde bis zum Konzertbesuch mit Heimbewohnern, die noch mobil sind. Beim Herbstfest soll ein eigener Bewohnerchor auftreten. Es freut Göttlicher, dass es jetzt von den Kassen einen Zuschlag für Demenzpatienten gibt, sodass deren Betreuung intensiviert werden konnte. Eine zertifizierte Musikgeragogin hat in Potsdam bisher nur das Kursana-Heim.H. Dittfeld
H. Dittfeld
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