Weniger Erträge für Stiftungen in Potsdam: Sinkende Erträge
Stiftungen in Potsdam haben mit dem anhaltenden Zinstief zu kämpfen. Die Stiftungsarbeit muss in immer mehr Fällen eingeschränkt werden.
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Potsdam - Sie helfen Senioren, fördern Toleranzprojekte, bürgerschaftliches Engagement, Künstler oder Nachwuchswissenschaftler: Das Arbeitsfeld von Stiftungen in der Landeshauptstadt ist vielfältig, 52 Stiftungen mit Sitz in Potsdam sind im Brandenburgischen Stiftungsverzeichnis gelistet. Für immer mehr von ihnen wird die Entwicklung auf dem Finanzmarkt zum Problem. Denn das anhaltende Zinstief sorgt für sinkende Erträge aus den Stiftungsvermögen. Für die Stiftungen heißt das: Sie haben weniger Geld für ihre Arbeit. Mit teils dramatischen Folgen.
Beispiel Alfred und Toni Dahlweid Stiftung: Nicht jedem Potsdamer wird der Name ein Begriff sein, für Senioren in Zentrum Ost aber ist die von der Stiftung betriebene Freizeitstätte in der Edisonallee eine wichtige Adresse. Weit über 100 Potsdamer nehmen dort regelmäßig an Kursen teil, singen im Singkreis, besuchen Reiseberichte oder Filme, auch ein Frühstücksangebot für Demenzkranke gehört zum Programm, wie Ingrid Püschel vom Stiftungsvorstand sagt. Das 20. Jubiläum steht vor der Tür. „Aber wir sind jetzt an einem Punkt, wo es wirklich ernst wird“, sagt die Ehrenamtlerin.
Das Stiftungskapital, fast eine halbe Million Euro, werfe immer weniger Geld ab, allein in diesem Jahr rechnet Püschel wieder mit rund 10 000 Euro weniger als noch 2015. Das Vermögen sei in verschiedenen „Paketen“ angelegt, erklärt sie – und immer, wenn eines dieser „Pakete“ frei wird und neu angelegt werden muss, ist das mit Einschnitten verbunden. Gab es früher fünf bis sieben Prozent Zinsen, kann die Stiftung heute kaum noch mit einem Prozent rechnen. „Wir haben dadurch immer weniger Möglichkeiten, unseren Stiftungszweck zu erfüllen“, sagt Püschel. Zwar muss die Stiftung keine Angestellten bezahlen, aber Miete, Gebühren für Telefon, Strom, Versicherungen und Aufwandsentschädigungen. Am 15. Februar hat die Stiftung die Senioren eingeladen – um zu beraten, wie es weitergeht. „Wir müssen sehen, wie wir anderswo Geld auftreiben können – oder mit weniger Geld auskommen.“
Auch bei der in ganz Ostdeutschland tätigen F.C. Flick-Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz ist das Problem bekannt. „Wir könnten von unseren Erträgen nur knapp die Verwaltungskosten zahlen und kaum noch Projekte fördern“, sagt Geschäftsführerin Frau Susanne Krause-Hinrichs – zwei Mitarbeiter müssen bezahlt werden. „Wir haben das Glück, dass wir einen Stifter haben, der jährlich eine Million Euro zuschießt.“ Seit drei Jahren sei die Stiftung auf diese großzügige Finanzspritze angewiesen. Zirka 60 Projekte gegen Fremdenfeindlichkeit unterstütze die Stiftung pro Jahr mit insgesamt einer Million Euro.
Krause-Hinrichs spricht von dramatischen Auswirkungen auf die Stiftungslandschaft. Stiftungen seien oft auch als Kofinanzierer von sozialen Projekten gefragt, betont sie. Vor dem Hintergrund des wachsenden Rechtsextremismus gebe es mehr zu tun denn je. Weil bei den Stiftungen das Geld fehle, würden manche Projekte aber sogar abgesagt.
Betroffen sind auch die Stiftungen der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS) – insgesamt drei haben ihren Sitz in Potsdam. „Die Ausschüttungen gehen zurück“, sagt MBS-Sprecher Robert Heiduk. Die Bank unterstützt über die Stiftungen regelmäßig Vereine und Institutionen vor Ort. Nur weil die Sparkasse noch Geld zuschießt, könnten die Stiftungen ihrem Zweck noch „recht gut“ nachkommen, sagt Heiduk – die Zahl der geförderten Projekte habe man aber eingeschränkt. Genaue Zahlen will er nicht nennen. „Der gute Zweck leidet“, sagt er. Er benennt ein Dilemma, in dem die Stiftungen stecken: Sie sind angehalten, das ihnen anvertraute Vermögen konservativ und risikofrei anzulegen. Aktien als Anlageform fallen damit praktisch weg.
Auch Matthias Winker, Verwaltungschef des Astrophysikalischen Instituts Potsdam (AIP), das als Stiftung geführt wird, kennt das Niedrigzinsproblem. Zwar ist das AIP selbst kaum betroffen – denn das Stiftungskapital besteht nicht aus Geld, sondern aus Liegenschaften am Babelsberger Park. „Unser Tagesgeschäft wird durch Zuwendungen von Bund und Land finanziert“, erklärt Winker.
Anders sieht es aber bei der vom AIP verwalteten Wempe-Stiftung aus: Sie vergibt einen internationalen Preis für Nachwuchswissenschaftler in der Astrophysik – eigentlich jährlich. Wegen des Zinstiefs komme die nötige Preissumme von 5000 Euro nun aber nicht mehr zusammen. Deswegen wird der Wempe-Preis in diesem Jahr erstmals nicht verliehen. „Wir müssen auf einen zwei-, schlimmstenfalls dreijährigen Rhythmus ausweichen“, sagt Winker. Das ist nicht nur ärgerlich für die Nachwuchswissenschaftler, sondern auch für das Institut: „So ein Preis ist natürlich öffentlichkeitswirksam, deswegen tut das schon weh.“
Bei der kommunalen Stiftung Altenhilfe sieht man die Lage noch gelassen. Zwar gehen auch bei der Altenhilfe die Erträge zurück – allein von 2013 auf 2014 um rund 750 Euro auf 8760 Euro, wie Stadtsprecherin Christine Homann sagte. Allerdings wurde die jährliche Summe bisher nicht ausgeschöpft. Die Stiftung hilft bedürftigen Senioren.
Auch bei der Stiftungsaufsicht im Innenministerium beobachtet man die Lage. Viele Stiftungen hätten mit dem Zinstief zu kämpfen und seien auf zusätzliche Spenden angewiesen, sagt Sprecherin Susann Fischer. Vereinzelt habe es auch schon Anfragen zur Auflösung oder Zusammenlegung kleinerer Stiftungen gegeben, so die Sprecherin: „Das wird allerdings erst dann möglich, wenn die Erfüllung des Stiftungszweckes tatsächlich dauerhaft unmöglich geworden ist.“
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