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Landeshauptstadt: Sinneskarussell im Kopf Vortrag zur Synästhesie: Wenn Tage bunt werden

Welche Farbe hat der Freitag? Eine von etwa 2000 Personen könnte diese Frage beantworten, meint Johannes Haack.

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Welche Farbe hat der Freitag? Eine von etwa 2000 Personen könnte diese Frage beantworten, meint Johannes Haack. Die sogenannten Synästhetiker verbinden mehrere Sinneswahrnehmungen, wenn andere Menschen nur einen Reiz empfinden. Dann werden Buchstaben, Ziffern oder Wochentage bunt oder Monate und Tage räumlich gesehen. Manche Synästhetiker koppeln Musik und Geräusche mit Farben und Formen. Über dieses Phänomen der zeitgleichen Wahrnehmung durch mehrere Sinne referiert am heutigen Mittwochabend bei den Potsdamer Köpfen Johannes Haack, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich kognitive Psychologie der Universität Potsdam.

„Vermutlich gibt es eine große Dunkelziffer, weil viele Menschen nicht wissen, dass sie eine Synästhesie haben oder es andere nicht wissen lassen wollen“, sagt Haack. Dabei sei es nichts, wovor man sich fürchten müsse. Im Gegenteil: „Eigentlich kann man sich darüber freuen, denn man kann diese ,Begabung’ kreativ ausbauen und differenzieren“, so Haack weiter. So wird vermutet, dass aufgrund dieser Begabung viele Synästhetiker literarische, musikalische und andere künstlerische Talente haben. Berühmte Synästhetiker waren Kandinsky, Nabokov und Goethe. Blixa Bargeld, der Sänger der Einstürzenden Neubauten, der deutsche Fotograf und Maler Matthias Waldeck und der kalifornische Maler und Bühnenbildner David Hockney zählen heute dazu.

In seinem Vortrag erklärt Haack zunächst, was genau unter dieser besonderen Wahrnehmung zu verstehen ist. Die verschiedenen Formen von Sinnesverschmelzungen unterlegt er mit Bildern, beispielsweise, wie sich Menschen mit einer Zahl-Farb-Synästhesie die Ziffern bunt und räumlich aufgestellt vorstellen. Oder wie ein Notenblatt der Rhapsody in Blue in den Augen eines Musik-Farb-Synästhetikers aussieht: nämlich mit vielen bunten, unterschiedlich großen Klecksen. Auch Geschmackssinn und Berührungssinn tauchen im Sinnes-Pool der Synästhetiker auf: Dann schmecken Farben und Töne, und Berührungen, die man bei anderen Personen beobachtet, werden mitempfunden.

Ob jemand ein echter Synästhetiker ist, kann anhand von simplen Tests herausgefunden werden. Außerdem geht es darum, welche Vorteile diese Begabung mit sich bringt. Meistens, so Haack, überwiegt die positive Selbst- als auch eine positive Experteneinschätzung. „Synästhesien sind keine Krankheiten oder Störungen wie z. B. Farbenblindheit sondern angeborene Besonderheiten“, betont der Experte.

Weil es dennoch unter Betroffenen ein großes Bedürfnis nach Austausch gibt, gründete sich 2005 die Deutsche Synästhesie-Gesellschaft, eine offene Gruppe von Synästhetikern, Wissenschaftlern und Interessierten. Die Potsdamerin Regina Pautzke ist die Vorsitzende des Vereins, der dieses Phänomen weiter bekannt machen will, wissenschaftliche und künstlerische Projekte unterstützt. S. Pyanoe

Vortrag heute um 18 Uhr im Friedrich-Reinsch-Haus, Milanhorst 9, Eintritt 2 Euro

S. Pyanoe

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