ATLAS: Sittenwidrig
Guido Berg über den 30-Jahre-Mietvertrag für die Bibliothek im Kirchsteigfeld
Stand:
Die Weimarer Republik brachte es auf 15 Jahre, das „1000-jährige Reich“ auf zwölf Jahre, die DDR mit Ach und Krach auf 40 Jahre. Dann vergingen noch sieben Jahre Demokratie. Und dann kam der Tag, an dem die Väter dieser Stadt für ein Gebäude im Kirchsteigfeld einen Mietvertrag für die Dauer von 30 Jahren abschlossen. An sich ist das kein schlechtes Finanzierungsmodell, die Stadt muss die Summe nicht gleich einsetzten, sie fehlt also nicht im Haushalt. Sie muss sich die Summe auch nicht leihen, sie taucht also bei den Schulden der Stadt nicht auf. Und die Nutzungsdauer eines Hauses beträgt auch mindestens 30 Jahre. Also alles im Lot? Nein. Denn das Modell ist starr und unflexibel. Es setzt voraus, dass ein Ist-Zustand die für deutsche Verhältnisse ewig lange Zeit von 30 Jahren gehalten werden kann – und dies auch noch mit Sinn, Verstand und Nutzen. Gehalten haben sich die Vorstellungen von 1997 jedoch nur sieben Jahre, bis zum gegenwärtigen Jahr 2005, weniger als ein Viertel der anvisierten Zeit also. Nun würde die Lokalpolitik in dieser Stadt gern agieren und auf die verschärfte Haushaltslage reagieren – kann sie aber nicht. Der Mietvertrag ist nicht anfechtbar. Ob sich ein Nachmieter findet, der für die restlichen 23 Jahre unterschreibt?
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