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Landeshauptstadt: „Situation so dramatisch wie nie zuvor“

Gewerkschaften starten Berufsschultour in Potsdam / Bernd Rissmann: 16000 Jugendliche ohne Lehrstelle

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Gewerkschaften starten Berufsschultour in Potsdam / Bernd Rissmann: 16000 Jugendliche ohne Lehrstelle Von Günter Schenke „Die Wirtschaftskrise wird auf dem Rücken der Jugendlichen in der Region ausgetragen“, beklagte DGB-Vize Bernd Rissmann gestern zum Start der Berufsschultour der Gewerkschaftsjugend auf dem Schulhof des Oberstufenzentrums in der Jägerallee. Am Beginn des Ausbildungsjahres sei die Situation so dramatisch wie nie zuvor: 16 000 Brandenburger Jugendliche sind noch ohne ,Ausbildungsplatz. Diejenigen Jugendlichen, die in der Ausbildung stehen, müssten um ihre Rechte fürchten. Hundert Euro weniger Ausbildungsvergütung, als einem Lehrling zustehe, das sei zum Beispiel bei den Dachdeckern keine Seltenheit, berichtet Patrick Scheib, der gestern zusammen mit einer Crew der Gewerkschaftsjugend im OSZ I Aufklärung leistete. In einer Zeit, in der die Ausbildung zu einer Gnade werde, versuchten die Unternehmen, die verbrieften Rechte der Jugendlichen auszuhöhlen. So konnte ein Auszubildender im ersten Lehrjahr eine Latte von hundert unbezahlten Überstunden aufweisen. Das sei keineswegs ein Ausnahmefall, so Scheib. Vertreten waren die Industriegewerkschaften Bauen, Agrar und Umwelt; die IG Metall und die ver.di-Jugend. Zwar war das Interesse der Jugendlichen nicht überschäumend, aber es gab viele gezielte Fragen. Ganz oben standen dabei die Höhe der Ausbildungsvergütung und Fachfragen zu den Tarifen, ferner die Mitbestimmung und der Arbeitsschutz. „Wer vertritt denn die Rechte der Auszubildenden, wenn nicht die Gewerkschaften?“ – suchte Axel Gräbitz im Gespräch mit künftigen Fliesenlegern zu überzeugen. Der gelernte Dachdecker war an diesem Tage ebenfalls als Vertreter der Gewerkschaftsjugend mit auf Tour. An seinem Stand lag auch ein Stapel grüner Aufnahmeformulare. „Einige Anträge wurden heute schon abgegeben“, berichtet er. Natürlich wollten die Azubis wissen, was eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ihnen bringt. Einigen waren auch die 1,15 Prozent Beitrag zu viel. Detlef Baer, DGB-Chef Brandenburg, macht keinen Hehl daraus, dass es die Gewerkschaften nötig hätten, vor Ort ihr Image aufzupolieren. 85000 Mitglieder habe der DGB in der Region; vor fünf Jahren waren es noch über 90000. Die Berufsschultour sei eine gute Gelegenheit, die Auszubildenden zu erreichen. Dabei sei die Gewerkschaft auf das Verständnis der Schulleitungen angewiesen. Nicht überall sei dieses so groß wie hier am OSZ I in Potsdam. „Wenn die Unternehmen ihrer Pflicht, den eigenen Nachwuchs auch selbst auszubilden, nicht nachkommen, dann müssen sie durch finanzielle Sanktionen dazu gezwungen werden“, forderte Rissmann und erwähnt kritisch, dass die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern ihre Versprechen bei der Werbung um Ausbildungsplätze nicht erfüllt hätten. Ein System der Umlagefinanzierung, so DGB-Bezirksjugendsekretär Daniel Wucherpfennig, sei eine der zentralen Forderungen Der Gewerkschaftsjugend bei der diesjährigen Berufsschultour. Eine gerechte Finanzierung der Ausbildung würde allen Beteiligten helfen, meinte er. „Wenn wir uns hier umsehen, dann sehen wir immer mehr Jugendliche, die ihre komplette Ausbildung in der Schule verbringen und nur selten einen Betrieb von innen sehen.“ Das sei bei allem Engagement der Schulen für die Jugendlichen „eine Katastrophe“ und überfordere die Oberstufenzentren. „Die Gewerkschaft kommt zu uns“, – das würden viele Jugendliche anerkennen, berichtet Wucherpfennig. In 25 Oberstufenzentren würden tausende Auszubildende erreicht. Allen Unkenrufen zum Trotz hätten die Gewerkschaften gerade für Jugendliche eine wichtige Funktion. Steigende Mitgliederzahlen in der Gewerkschaftsjugend seien dafür ein Beleg.

Günter Schenke

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