Sport: Skeleton in der Stadtmitte
Peter Rieger, Geschäftsführer des SC Potsdam, über das Jahr 2006 und Vorhaben des mitgliederstärksten Sportvereins des Landes
Stand:
Macht es Spaß, Geschäftsführer des SC Potsdam und damit des zahlenmäßig größten Sportvereins des Landes Brandenburg zu sein, Herr Rieger?
Natürlich, zumal ich den ganzen Verein mit aufgebaut habe. 1994 haben wir den SC mit 600 Leichtathleten – vor allem Breitensportlern – aus der Taufe gehoben. In jener Zeit ist auch das Projekt unseres Jugendklubs Offline entstanden. Nach und nach kamen dann immer mehr Sportarten dazu.
Wie groß ist Ihr Verein jetzt?
Wir haben rund 2600 Mitglieder und die sieben Hauptabteilungen Leichtathletik, Volleyball, Bob, Rhythmische Sportgymnastik, Turnen, Breitensport und Jugendclub. Wobei unser Breitensport noch einmal mehrere Unterabteilungen hat – Basketball und American Football beispielsweise, Lauftreff, Behindertensport und Fußball.
Ist der SCP ein reiner Sportverein?
Ja, aber einer mit sozialer Orientierung, denn wir bieten auch Kindern, Senioren und geistig Behinderten Betreuung durch unsere sportlichen Angebote. Wir sind als einziger Sportverein ganz Deutschlands anerkannter Träger der freien Jugendhilfe.
Überwiegen Freude oder Sorgen beim Führen dieses Vereins?
Die Freude. Meine Hauptstärke ist es, neue Projekte zu entwickeln und Verbindungen zu knüpfen. Und hier sind wir in diesem Jahr einen großen Schritt weiter gekommen, denn mit Torsten Bork haben wir einen neuen Präsidenten, der als Vizepräsident des Unternehmerverbandes Brandenburg beste Kontakte zur Wirtschaft hat. Er wird mehr Hilfe und Unterstützung für uns aus diesen Kreisen bewirken können. Beim Neujahrsempfang unseres Vereins im Januar wird auch unser Kuratorium als Instrument zur Förderung des SC Potsdam vorgestellt. Das freut mich sehr, weil wir dringend mehr Spenden und Sponsoring benötigen.
Kann Herr Bork auch das seit Jahren angestrebte neue Vereinsheim im Kirchsteigfeld schneller verwirklichen lassen?
Das steht auf seiner Prioritätenliste an vorderster Stelle. Der Bau soll im kommenden Jahr beginnen und 2008 fertig sein. Unser neuer Junior-Club soll bis spätestens Anfang April 2007 fertig werden. Er entsteht in Räumlichkeiten einer Kita in der Drewitzer Robert-Baberske- Straße. Zuwendungen der Mittelbrandenburgischen Sparkasse und des Jugendamtes von je 10 000 Euro haben bei seiner Verwirklichung sichtbar geholfen.
Kommen wir zum Sport: Die Leichtathleten sind das internationale Aushängeschild Ihres Vereins – der große Wurf blieb in diesem Jahr aber aus, oder?
Ich sehe 2006 als ein Übergangsjahr. Im Gehen war es so, dass Melanie Seeger einiges austestete, wie sie eventuell besser in ihren Leistungen vorankommt. Sabine Zimmer hat sich etabliert und schon eine gute Ausgangsbasis für 2007 erreicht, während Andreas Erm gesundheitlich wieder fit ist und durch seinen Umzug in diesem Monat von Berlin nach Potsdam seine Bedingungen weiter verbesserte, um seine Rückkehr in die Weltspitze noch konzentrierter anstreben zu können. 400-Meter-Läuferin Claudia Hoffmann hat Leistungsfortschritte gemacht, 1500-Meter-Läuferin Antje Möldner hat mit Neuzugang Katrin Trauth jetzt eine Trainingskameradin, die sie weiter voranbringen könnte, 800-Meter-Läufer Martin Conrad hat gezeigt, dass er in den nächsten Jahren in die deutsche Spitze gelangen kann. Und Hochspringerin Annett Engel hat sich stabilisiert. Sie will sich 2007 international etablieren und höherer Konkurrenz stellen.
Das hört sich optimistisch an.
Wir haben mit einem A-, neun B-, sieben C- und fünf D/C-Kadern einen so großen Kaderkreis wie noch nie. Im Gehen haben wir neben Andreas Erm, Maik Berger und Carsten Schmidt zahlreiche junge Hoffnungen. Diskuswerfer Gordon Wolf ist ein Riesentalent und will im nächsten Jahr zur U18-Weltmeisterschaft. Sein Trainer Jürgen Schult hat bei uns eine gute Trainingsgruppe, zu der beispielsweise auch Paul Hohn und Carolin Sommerfeld gehören. Wir wollen übrigens im kommenden Jahr mit dem polnischen LKS Lubusz in Slubice kooperieren, der ebenfalls gute Läufer und Werfer hat. Slubice liegt praktisch am Rande Brandenburgs und damit nahe. Wir wollen dort trainieren und Wettkämpfe bestreiten und die polnischen Leichtathleten natürlich auch zu uns einladen, damit wir uns gegenseitig voranbringen.
Auf einer Erfolgswelle schwimmen derzeit die Volleyballerinnen des SC Potsdam als Zweitliga-Spitzenreiter. Was sagen Sie deren Fans, die fragen, ob Volker Knedels Truppe am Saisonende aufsteigen darf, falls sie dann weiter ganz oben steht?
Volker Knedel hat ein Drei-Jahres-Konzept für den Aufstieg in die erste Bundesliga, wir als Vereinsspitze reden von mindestens zwei Jahren. Das heißt im Klartext, dass die erste Bundesliga nicht vor 2008 angestrebt wird, weil das Umfeld in Potsdam noch nicht erstligareif ist. Es gibt noch keine erstliga-taugliche Halle für mindestens 1000 Zuschauer, auch zur nötigen Grundfinanzierung, die bei 178 000 Euro liegt, fehlt uns noch einiges. Wir brauchen nach einem Aufstieg mindestens vier neue richtige Erstliga-Spielerinnen, um nicht gleich wieder abzusteigen. Das alles will gut vorbereitet sein.
Wie weit ist der SC mit dem Aufbau einer eigenen Bob-Besatzung? Kevin Kuskes jüngerer Bruder Lukas trainiert ja bereits als Pilot
und fährt die Bahnen schon ganz gut runter. Wir haben eine Kooperationsvereinbarung mit dem BSR Oberhof und dem Thüringer Schlitten- und Bobsportverband. Lukas trainiert beim Oberhofer Bahntrainer Frank Jacob und wird derzeit bei uns im Verein zum Sport- und Fitness-Kaufmann ausgebildet. 2010 wollen wir mit ihm bei Olympia in Vancouver dabei sein. Im nächsten Jahr wird Lukas aber noch den Bob des Oberhofers Maximilian Arndt anschieben. Mit René Tiefert, Peter Tiefert und Sascha Schelter haben wir weitere junge Anschieber, die derzeit noch auf anderen Schlitten fahren, bis wir unseren eigenen Bob haben. Für den suchen wir noch einen Hauptsponsor.
Ihr Verein hat es geschafft, Bob-Wettbewerbe auch als Sommer-Event mitten in Potsdam zu etablieren – wird es hier 2007 erneut Bobanschubwettkämpfe geben?
Ja, die sind für den 21. bis 23. Juni geplant. Wir wollen dann erstmals auch Starts im Skeleton, in dem die Sportler bekanntlich mit dem Kopf nach vorn die Bahnen runterrasen, zeigen. Eigene Ambitionen in dieser Sportart haben wir derzeit aber nicht.
Auf welche Veranstaltungen des SC in seiner Heimatstadt können sich die Potsdamer 2007 noch freuen?
Auf unser internationales Indoor-Stabhochsprungmeeting am 9. und 10. Februar im Stern-Center, auf das Landesfinale von Mach mit, mach’s nach, mach’s besser Ende Mai an gleicher Stelle, auf das Junioren-Nachwuchsmeeting der Leichtathleten Mitte Juni im Luftschiffhafen, das als Qualifikation für die internationalen Titelkämpfe von der U18 bis zur U23 gelten wird, und auf das Stabhochsprung-Meeting im September auf dem Marktplatz im Kirchsteigfeld. Eine Neuauflage soll auch das Internationale Speedgehen erfahren, das in diesem Jahr erstmals rund um den Stadtkanal ausgetragen wurde. Wir wollen damit 2007 auf die Brandenburger Straße am Brandenburger Tor umziehen, um für diesen wirklich attraktiven Wettkampf mehr Publikum zu bekommen. Der Termin dafür steht noch nicht ganz fest.
Was wünschen Sie dem SC Potsdam für das kommende Jahr am meisten?
Dass es uns gelingt, mehr Partner für unseren Verein zu finden, weil wir mit unseren eigenen Kräften an der Grenze angelangt und auf mehr Hilfe der Wirtschaft angewiesen sind. Dann wünsche ich uns, dass sich vier bis sechs unserer Leichtathleten für die Weltmeisterschaften in Osaka qualifizieren und dort gut aussehen. Ich denke dabei an drei oder vier Geher, an Claudia Hoffmann und Antje Möldner und vielleicht sogar Annett Engel. Und schließlich wünsche ich mir, dass unser Junior-Club wirklich fertig und der Bau des Vereinsheims begonnen wird.
Das Interview führte Michael Meyer.
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