Landeshauptstadt: So neu sind die Ideen nicht
Jochen Kranert war bei den Planungen und dem Bau der Stadt- und Landesbibliothek vor über 30 Jahren dabei
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Dieses Gebäude lässt ihn nicht los. Jochen Kranert war mit dabei, als es geplant, als es aufgebaut wurde. Jahrelang hat er dort gearbeitet. Er hat die Diskussionen um die Zukunft dieses Gebäudes verfolgt, und es hat ihm wehgetan, als der Abriss zur Debatte stand. Jetzt, wo die Sanierung geplant ist, hat sich Jochen Kranert wieder zu Wort gemeldet. Schließlich geht es auch um seine Stadt- und Landesbibliothek.
Im kommenden Jahr wird mit der Sanierung und dem Umbau der 1974 eröffneten Stadt- und Landesbibliothek am Platz der Einheit begonnen. Geplante Bauzeit: Drei Jahre, bei laufendem Betrieb. Geplante Baukosten: Neun Millionen Euro. Der fünfgeschossige Stahlbetonbau soll nach den Plänen des Architekturbüros von Reiner Becker in einen „Ort der Leichtigkeit“ umgestaltet werden. Das derzeit sehr beengende Erdgeschoss mit dem Lichthof wird geöffnet und dadurch einsehbar. Der Eingangsbereich, ein geplanter Saal, die Ausleihe und die Kinderbibliothek sollen in runden Räumen untergebracht werden. Bis zur dritten Etage sind Bücherregale und Lese- und Studierplätze geplant. Für die oberste Etage gibt es derzeit Verhandlungen, dass dort die Volkshochschule unterkommen kann.
Vieles, was in den aktuellen Planungen für die neu gestaltete Bibliothek vorgesehen ist, kommt Jochen Kranert bekannt vor. „Wir hatten solche Ideen auch, als Ende der 1960er Jahre mit den Planungen für den Neubau begonnen wurde“, sagt der 70-jährige Kranert. Bei Jena geboren, in Leipzig zum Bibliotheksfacharbeiter ausgebildet, dem ein vierjähriges Fachstudium und später die Promotion folgten, ist Jochen Kranert 1959 nach Potsdam gekommen, um hier in der Bibliothek zu arbeiten. In den 1960er Jahren begannen die Planungen, die einzelnen Bibliotheken an zentralen Standorten zusammenzuführen. Potsdam sollte neben Schwerin, Erfurt und Berlin eine Stadt- und Landesbibliothek bekommen. „Stadt- und Landesbibliothek deshalb, weil die Bestände der allgemeinen Stadt-, mit den wissenschaftlichen der Landesbibliothek unter einem Dach zusammengefasst werden sollten“, so Kranert. Die Stadtverwaltung habe sich damals bewusst für den Standort in der Stadtmitte entschieden, denn eine Bibliothek für die Bürger dieser Stadt gehöre einfach ins Zentrum. Als es an die Planungen für den Neubau ging, war Kranert von Anfang an mit dabei.
„Die äußere Form war vorgegeben. Wir mussten die Funktion als Bibliothek dieser Form anpassen“, erinnert sich Jochen Kranert. Es hat damals viele Gespräche mit den verantwortlichen Architekten und Planern gegeben, sowohl in der Planungsphase als auch während der dreijährigen Bauzeit. Eine sehr offene Atmosphäre, so Kranert, in der versucht wurde, auf die Bedürfnisse und Vorschläge der Bibliothekare einzugehen. Schon damals sollte das Gebäude geöffnet werden, wie es die Planungen des Architekturbüros von Reiner Becker für den Umbau vorsehen: Ein repräsentativer Eingangsbereich mit viel Licht. Doch schon die Vorgabe, in einem Teil des Erdgeschosses Räume für eine Buchhandlung unterzubringen, führte zu Einschränkungen. Dann mussten auch noch die Baukosten gesenkt werden. Das Resultat dieser Einsparungen war der Innenhof, für den es dann zwar Planungen gab, ihn auch zu nutzen. Doch blieb dieser Innenhof trotz aller Versuche für die Bibliothek ein ungenutzter Raum. Und dann war da auch noch das Wandbild „Erben des Spartakus“ von Kurt-Hermann Kühn im Eingangsbereich.
Aus Sicht eines Bibliothekars stand hier die Kunst über der Zweckmäßigkeit. „Wer die Bibliothek betrat, durfte nur das Wandbild sehen.“ Dabei hätte Kranert schon damals die Ausleihe und Magazinbestellung im Erdgeschoss gehabt. Doch Kompromisse mussten gemacht werden. „Trotzdem haben uns viele um dieses Gebäude beneidet“, sagt Kranert.
Dass die Stadt sich für den Standort am Platz der Einheit entschieden hat, war für Kranert Grund genug, sich auch als Rentner für die Bibliothek einzusetzen. Er ist jetzt Mitglied im Förderverein und auf Informationsveranstaltungen zur Zukunft der Bibliothek fast immer anzutreffen. Die Planungen des Architekturbüros von Reiner Becker begrüßt Jochen Kranert. Ein durchdachtes Konzept, das viele Ideen aufgreift, die vor über 30 Jahren schon diskutiert wurden. Jochen Kranert kann nur hoffen, dass dieses Konzept nicht wieder Sparmaßnahmen zum Opfer fällt. Er wird das genau beobachten, denn seine Stadt- und Landesbibliothek lässt ihn nicht los.
Dirk Becker
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