Landeshauptstadt: So Potsdam wie noch nie: Wunderkind in einer zeitlosen Welt
Premiere in Paris: Wolfgang Joop eröffnete mit seinem Potsdamer Label die Modewoche
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Die Offenbarung ist verziert mit Stickereien inspiriert von den Pavillons in Sanssouci. Sie hüllt sich in Biedermeier-Mäntel, schmückt sich mit Hüten wie Königin Luise. Sie ist so wenig multiplizierbar wie ein Gemälde, und sie trägt den Namen „Maria 3“. So hat Wolfgang Joop seine Kleiderkunst getauft, seine neue Kollektion, mit der er am Sonntag die Pariser Modewoche eröffnete. Gestern ist Joop zurückgekehrt aus Paris, zurück an den Heiligen See. Froh ist er, wieder hier zu sein – und doch ganz erfüllt von dieser Präsentation in Paris, die für ihn eine Premiere war. Und für Deutschland eine Einmaligkeit ist: Mit seinem Label Wunderkind, vor mehr als drei Jahren in Potsdam gegründet, ist Joop der einzige Deutsche, der sein Werk in Paris zeigen durfte und in den offiziellen Kalender der Schauen aufgenommen wurde – abgesehen von Karl Lagerfeld natürlich, doch dieser schneidert ja auch für ein französisches Modehaus.
Für Wolfgang Joop und sein Wunderkind bedeutet die Schau in Paris, inszeniert wie die Eröffnung einer Kunstausstellung im Theatre National de Chaillot mit Blick auf den Eiffelturm, „einen ganz großen Schritt“. Nicht allein, weil es sein erstes Mal war, nicht weil er der einzige Deutsche war. „Paris ist der einzige Showplace, wo du dich offenbaren musst“, sagt Joop. „Da musst du der sein, der du bist.“ Deshalb habe er sich bei seiner „Maria 3“ nicht an einem Trend orientiert, nicht an den angeblichen Bedürfnissen seiner potenziellen Kundinnen. „Ich zeige euch auch meine eigene Geschichte“, hatte er sich vorgenommen. Und hatte vor der Schau, bei der 55 seiner Kreationen für Frühjahr und Sommer 2007 gezeigt wurden, „so wenig Angst wie nie“. Denn nie sei er sich so sicher gewesen, alles getan zu haben, was ihm möglich war: „Ich konnte nicht mehr als das tun. Ich habe alle Erfahrungen, alle Emotionen hineingepackt.“
Erschaffen hat Wolfgang Joop eine Kollektion, die für ihn „so Potsdam wie noch nie“ ist. Die Kleider, handgearbeitet in ausgewähltesten Materialien, seien „eine postmoderne Hommage ein meine Heimatstadt“. Denn die Inspiration fand der Modeschöpfer in Potsdam – genauer: in Babelsberg. Im Kostümfundus des Filmstudios habe er die Vorlagen bekommen für die Hüte, die einst die schöne preußische Königin Luise hoffähig machte, und jene für die Biedermeier-Mäntel, ursprünglich von Männern getragen. Ein Restaurator aus Potsdam habe geholfen, echtes Blattgold auf den weißen Jacken zu verteilen. Nur die Patina, die stammt aus Italien. Wenige Tage vor der Pariser Schau schickte Joop die Kleider in eine spezielle Solarkammer – nun sind sie bis zur Taille ausgeblichen, wie das Glück, das sehr kostbar ist, und doch so schnell verfliegt. „Patina ist das Schönste, was man erwerben kann“, sagt der Designer. Und: „Es reicht nicht, Wünsche zu erfüllen – man muss Wünsche erfüllen, von denen die Leute nicht wussten, dass sie sie überhaupt hatten.“ Er glaube, sagt Joop, dies sei mit „Maria 3“ gelungen.
Nicht zuletzt, weil die Schau in Paris auch kommerziell ein großer Erfolg gewesen sei. „Wir haben die Kundenzahl verdoppelt.“ Verkauft wird das Potsdamer Wunderkind mittlerweile nahezu weltweit, feste Büros und Showrooms gibt es in London und Mailand, Kunden auch in Moskau und Taiwan. 35 Mitarbeiter zählt Joop im Firmensitz in Potsdam – und es werden möglicherweise mehr. „Ich habe ja nicht gedacht, dass es so groß wird, und so schnell groß wird“, sagt Joop über sein Wunderkind.
Als er nach seiner Trennung von Joop mit dem Ausrufezeichen im Juli vor drei Jahren die erste Kollektion zeigte – damals noch in den Potsdamer Geschäftsräumen vor einem handverlesenen Kreis von Einkäufern – bewegte ihn der Charme der Manufaktur. Ganz offensiv kündigte er eine neue Luxusmarke an, wollte sich lösen von allem schon Dagewesenen, den deutschen Bedenkenträgern zeigen, dass es auch anders geht. „Die alte Karriere hat mir dabei nur finanziell geholfen.“ Sein eigenes Geld, viel Geld, steckte er in die neue Marke – und viel müsse er auch jetzt investieren. „Je mehr wir verkaufen, desto mehr muss ich vorfinanzieren, desto mehr Personal brauchen wir.“ So kennt selbst ein Wolfgang Joop den Gang zur Bank – „doch den möchte ich jedem ersparen, das geht auch jemandem wie mir so“. Aber er „halte durch“, sagt der Unternehmer, „ich bin den Weg meiner Vorfahren hier gegangen“. Schließlich habe sein Großvater einst für das Gut in Bornstedt auch keine Fördergelder bekommen.
Wolfgang Joop hat mit Wunderkind eine Vision verwirklicht – die so sehr und so tief verankert in Potsdam scheint wie er selbst es ist. Hier findet er die Zeitlosigkeit, die Wunderkind-Kleider ausmachen, die Abtrennung von jedem Trend, „damit es auch den nächsten überlebt“. Ein Wunderkind-Kauf sei nicht rational zu begründen, sagt er. Nur emotional.
Und wo führt er hin, der Weg der Gefühle in der Zeitlosigkeit? Wolfgang Joop bleibt die Antwort ein wenig schuldig. Fest steht nur, dass es weiter geht: Nächsten Mittwoch schon müsse er mit der neuen Winterkollektion beginnen, dann Kleider in Düsseldorf zeigen. Federleichte Aufgaben für jemanden, der sich so schön offenbaren kann.
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