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Landeshauptstadt: Soforthilfe bei Nachfragen
Wie das Jobcenter die Kommunikation mit den Kunden verbessern will
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Kompliziertes Amtsdeutsch sorgt nicht nur für Frust bei den Kunden, sondern auch für mehr Widersprüche gegen Leistungsbescheide. Das jedenfalls glaubt Frank Thomann, der Geschäftsführer des Jobcenters der Landeshauptstadt Potsdam. Wer im Paragrafenwust nur noch Bahnhof versteht, legt erstmal Widerspruch ein. 4321 Potsdamer Hartz-IV-Bezieher haben das im vergangenen Jahr getan. Das sind zwar 164 weniger als noch 2010, aber für Thomann immer noch zu viel. Die Zahl der Klagen ist sogar gestiegen: Waren es 2010 noch 1012, gab es 2011 1141 Klagen gegen das Jobcenter.
Frank Thomann setzt nun auf eine verbesserte Kommunikation und den direkten Kontakt für Rückfragen, wie er am Dienstagabend im Sozialausschuss erläuterte. So soll es jetzt probeweise sogenannte „Bescheidberater“ geben, die den Jobcenter-Kunden bereits im Eingangsbereich des Hauses im Horstweg Fragen zu ihren Bescheiden beantworten. In der mehrwöchigen Probephase seien dafür zwei Mitarbeiter vorgesehen. Auch die Einrichtung einer Schiedsstelle zur möglichen Klärung von strittigen Fragen vor dem Gang vors Gericht ist geplant.
Eine „Arbeitsgruppe für Textbausteine“ soll zudem die Briefe, die das Jobcenter verschickt, verständlicher machen: Zwar könne an den vom Bund vorgegebenen Formulierungen nichts geändert werden – Thomann: „Das gefällt uns selber nicht“ –, aber Kunden sollen künftig für Rückfragen einen telefonischen Ansprechpartner genannt bekommen. Auch in komplizierten Fällen verspricht Thomann die schnelle Prüfung auf mögliche Fehler seitens der Sachbearbeiter und eine Reaktion „innerhalb von fünf Tagen“. Eine im Sozialausschuss angeregte Übersetzung der Bescheide in die sogenannte „leichte Sprache“ lehnte er allerdings ab. Die Bescheide müssten „rechtssicher“ sein, erklärte der Jobcenter-Chef: „Das ist nicht grundlos so aufgebaut.“
Dass es sich bei den eingegangenen Widersprüchen und Klagen aber nicht nur um vermeintliche Missverständnisse handelt, zeigt der Blick in die Statistik: Rund 36 Prozent aller Widersprüche wird laut Thomann stattgegeben, beim Gang vor Gericht gewinnen sogar in etwa 60 Prozent der Fälle die Kunden, wie der Jobcenter-Chef auf Nachfrage einräumen musste. Dennoch verspricht er sich von einer verbesserten Kommunikation weniger Widersprüche.
Auch an anderen Stellen wird es für die Jobcenter-Kunden in diesem Jahr Veränderungen geben: Wegen einer Gesetzesreform auf Bundesebene kann das Jobcenter ab dem 1. April unter anderem Gutscheine für Weiterbildungsmaßnahmen ausgeben. Zudem müssen sich sämtliche Maßnahmenträger und private Arbeitsvermittler zertifizieren lassen. Bei der Förderung Selbstständiger kann das Jobcenter ab April erstmals auch bereits in die Selbstständigkeit gewechselte Potsdamer beraten.
Die 178 Mitarbeiter des Jobcenters betreuten im vergangenen Jahr insgesamt 11310 Leistungsempfänger in 9108 Haushalten. Allein für das Arbeitslosengeld II wurden pro Monat im Durchschnitt 1466 Bescheide erstellt. Insgesamt wurden Mittel in Höhe von rund 69 Millionen Euro vergeben – 2010 waren es noch 72 Millionen.
Erneut gestiegen sind allerdings die Ausgaben für Miete und Heizung der Leistungsberechtigten: Sie lagen 2011 laut Thomann bei knapp 35,8 Millionen Euro. Schuld seien aber nicht nur die Mietpreise in Potsdam, betonte die Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos). Das Bundesgesetz sehe es vor, dass die sogenannten „Aufstocker“, die trotz einer Arbeit Sozialleistungen beziehen, ihr Einkommen lediglich mit der vom Bund ausgezahlten Grundsicherung verrechnen. Der von den Kommunen finanzierte Hilfe für Miete und Heizung bleibe davon unberührt. „Das bleibt an den Kommunen und Landkreisen hängen“, kritisiert Müller-Preinesberger.
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