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Von Maren Herbst: Software gegen Produktpiraterie
Wirtschaft profitiert von Forschungsprojekt der Universität Potsdam
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Von „Entschleunigung“ ist meist die Rede, wenn es um Themen wie Burn-Out, Rezepte gegen Stress oder die Steigerung von Lebensqualität geht. Auch Norbert Gronau, Professor für Wirtschaftsinformatik und Electronic Government an der Universität Potsdam, strebt eine Verlangsamung von Prozessen an. Er hat dabei aber etwas ganz anderes im Blick: Den Kampf gegen Produktpiraten. Mit seinem sechsköpfigen Forscherteam entwickelt er seit Anfang 2008 eine Software, mit der sich Unternehmen besser vor illegalen Nachahmungen ihrer Ideen und Produkte schützen zu können. Anfang 2011 sollen Firmen von den Forschungsergebnissen profitieren können.
Der Bedarf dafür ist riesig, denn nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) verliert die deutsche Wirtschaft jährlich bis zu 30 Milliarden Euro durch Markenpiraterie. 70 000 Arbeitsplätze seien in den vergangenen Jahren dadurch verloren gegangen, so der DIHK. Die lange Liste geschädigter Firmen in Deutschland reicht von Adidas bis Zeiss. Ihre Innovationen werden von Nachahmern in Asien oftmals kopiert und produziert bevor sich der Wettbewerbsvorteil für die deutschen Firmen bezahlt gemacht hat.
„Man kann Produktpiraterie nicht vollständig verhindern, aber man kann sie mit gezielten Maßnahmen eindämmen“, sagt Norbert Gronau. Gelinge es einem Unternehmen, mit einem Produkt bzw. dessen Alleinstellungsmerkmal zwei bis drei Jahre allein am Markt zu bleiben, sei schon viel gewonnen. „Die Entwicklung geht dann ja schon wieder in eine neue Runde, so dass Nachahmungen dann nicht mehr ganz so schmerzhaft sind“, so der Wirtschaftsinformatiker.
An dieser wertvollen zeitlichen Verzögerung arbeitet das Verbundprojekt „Protactive“, an dem neben der Universität Bochum auch ein deutscher Automobilzulieferer und ein Baumaschinenhersteller beteiligt sind. Die Wissenschaftler erarbeiten ein Tool bzw. Computerprogramm, mit dem Unternehmen die Risiken analysieren können, die sie insbesondere bei der Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb des Unternehmens eingehen. Informationsflüsse werden kontrolliert und wichtige Details vor zu vielen Mitwissern geschützt. „Zu viele Beteiligte wissen zu viel“, fasst Gronau die Problematik zusammen. Oft werden mehr Informationen als nötig in Form von umfangreichen elektronischen Dateien weitergegeben, etwa an Zulieferer, die gar nicht alle Informationen über das Endprodukt brauchen. Das macht es potenziellen Produktpiraten leicht, an wertvolles Know-how zu kommen.
Damit das nicht passiert, hilft die Software Unternehmen anhand eines Fragenkataloges zunächst einmal kritisches Kern Know-how zu identifizieren, um dann geeignete Schutzmaßnahmen vorzuschlagen. Diese beziehen sich insbesondere auf die Form der Weitergabe von Informationen. „E-Mails lassen sich verschlüsseln, manches sollte persönlich und nicht elektronisch übermittelt werden und auch die Zahl der Teilnehmer an entscheidenden Meetings ist oft zu groß“, zählt Gronau einige Beispiele auf. Sensibilität sei vor allem im Bereich der Produktentstehung angeraten. Gronau: „Es gibt Anzeichen dafür, dass viele chinesische Praktikanten den Auftrag haben, möglichst viel Know-how aus den deutschen Unternehmen mitzunehmen.“
„Protactive“ wird vom Bundesforschungsministerium mit 2,5 Millionen Euro gefördert, das Potsdamer Team erhält 197 000 Euro. Ob die Forschungsarbeit tatsächlich zum Schutz vor Produktpiraterie führt, lässt sich erst nach einigen Jahren überprüfen. „Wenn es dann mindestens zwei Jahre dauert, bis die ersten Kopien eines Produktes auf dem Markt sind, bin ich zufrieden“, sagt Gronau.
Maren Herbst
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