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Landeshauptstadt: Sonderpädagogen dringend gesucht

Mehr als zwei Drittel der Referendarsplätze im Land bleiben wegen Bewerbermangel unbesetzt. Das Problem wird auf Jahre bleiben

Stand:

Das Land Brandenburg findet nicht genügend Referendare für das Lehramt Sonderpädagogik. Zwölf von 17 Referendariatsstellen sind derzeit offen. Das ergab eine Anfrage der PNN beim Brandenburger Bildungsministerium. Bereits zum letzten Einstellungstermin im Juli 2012 konnten sechs Plätze aus Mangel an Bewerbern nicht besetzt werden. Die Referendare werden in Förderschulen, Förderklassen oder im gemeinsamen Unterricht im Pilotprojekt „Eine Schule für alle“ eingesetzt. Damit wird etwa die Potsdamer Comenius-Förderschule für geistig Behinderte erstmals keinen Referendar ausbilden. „Um diese Zeit hatten wir sonst immer schon einen Bewerber“, sagt Schulleiterin Edith Volkmer. „Ich rechne nicht mehr damit.“

Fehlen die Referendare, wird es für das Land zunehmend schwierig, ausgebildete Sonderpädagogen neu einzustellen. „Dass man nicht mal mehr Referendarsplätze besetzen kann, ist ganz klare Folge der verfehlten Politik“, sagt Dagmar Graefe vom Brandenburger Pädagogenverband BPV. Es sei abzusehen gewesen, dass nicht genügend Studenten ausgebildet werden. „Sonderpädagogen fehlen seit Jahren, nicht erst seit der Inklusion“, so Graefe. Seit 2001 bietet Brandenburg kein Lehramtsstudium für diese Fachrichtung mehr an. Experten und Verbände weisen seit Jahren auf den Missstand hin.

„Das Grundproblem wird bleiben“, räumt Ministeriumssprecher Stephan Breiding ein. Ihm zufolge sind Sonderpädagogen „der Goldstaub unter den Pädagogen“. Bundesweit fehlten 15 000 Lehrkräfte, sagt Karin Salzberg-Ludwig, Privatdozentin für Allgemeine Sonderpädagogik an der Universität Potsdam. Nach ihren Berechnungen braucht das Land jährlich 70 neue Sonderpädagogen. „Weder an den Förderschulen noch an den Regelschulen gibt es genug ausgebildetes Personal“, so Salzberg-Ludwig.

Im bundesweiten Kampf um die begehrten Lehrer hat Brandenburg allerdings eindeutig das Nachsehen. Von 21 Bewerbern für den letzten Einstellungstermin für Referendare im Februar sind 16 wieder abgesprungen. Den Grund dafür sieht das Ministerium „in den Bewerbern selbst“. Sie hätten sich für ein anderes Angebot entschieden. Brandenburg ist also schlichtweg nicht attraktiv genug. Hamburg etwa verspricht erfolgreichen Absolventen des Referendariats die Übernahme in das Beamtenverhältnis. Hierzulande wird hingegen bereits ausgesiebt, wenn bei der Bewerbung ein Formular fehlt. „Das Bewerbungsverfahren in Brandenburg ist sehr intransparent und vielen Anwärtern suspekt“, sagt Dagmar Graefe vom Pädagogenverband. Andere Länder würden flexiblere Lösungen anbieten – auch etwa Teilzeitreferendariat. „So kommen natürlich viele Probleme zusammen, sodass es auf lange Zeit so bleibt.“

Die ab Wintersemester geltende Umstellung des Studienganges Lehramt Primarstufe auf Inklusionspädagogik an der Universität Potsdam wird wenig Entlastung bringen. Zumal die ersten Absolventen frühestens 2018 ihr Referendariat beginnen. Als „Billiglösung“ und „Schmalspurstudium“ bezeichnet Graefe den neuen Studiengang. „Man wird künftig noch weniger Leute finden, die Grundschulpädagogik studieren wollen“, befürchtet die Verbandssprecherin.

Salzberg-Ludwig von der Uni Potsdam ist ebenfalls skeptisch bezüglich des Wechsels von der Sonder- hin zur Inklusionspädagogik. Denn das neue Studium sei nicht vergleichbar mit der Ausbildung eines klassischen Sonderpädagogen. „Wir müssen nicht an alten Strukturen festhalten, aber an Fachkompetenz.“ Der Sonderpädagoge werde schließlich für Kinder mit Autismus-Störungen oder geistiger Behinderung gebraucht. Die Wissenschaftlerin warnt davor, diese Kinder künftig auszugrenzen. „Wir haben die Expertise für ihre Bildung nicht abgedeckt.“ Aber auch für Schüler in der Sekundarstufe mit Förderschwerpunkt Lernbehinderung oder sozialer und emotionaler Entwicklung, fehle es perspektivisch an Personal.

Immerhin dieses Loch versucht das Bildungsministerium nun zu füllen. Ab dem kommenden Wintersemester können sich Lehrer berufsbegleitend im Fach Sonderpädagogik weiterbilden und sollen die Kosten für die zwei- oder dreijährige Ausbildung erstattet bekommen. Auch sogenannte Abminderungsstunden, also faktische Freistellungen vom Unterricht, soll es geben. Bisher galten unterschiedliche Regelungen des Ministeriums hinsichtlich der Kostenübernahme und der Anerkennung als Arbeitszeit. Für Salzberg-Ludwig ist dieses Umdenken „ein Zeichen, dass die Landesregierung auf die Tube drückt“. Sie schlägt vor, die Weiterbildung auch für alle Masterstudenten kostenlos anzubieten – damit mehr Studierende umsatteln.

Grit Weirauch

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