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Experten empfehlen das Sonnenbad, denn ohne Sonnenstrahlen kann der Körper kein Vitamin D bilden
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Wenn draußen die Sonne vom Himmel sticht, sollte man nur mit ausreichend Sonnenschutz vor die Tür gehen. Diese Empfehlung ist offensichtlich nur die halbe Wahrheit. „Heute haben wir das Problem, dass Sonnenstrahlung eher mit Hautkrebs als mit dem lebenswichtigen Vitamin D in Verbindung gebracht wird“, erklärt der wissenschaftliche Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke (DIfE), Hans-Georg Joost. Doch ohne Sonne kein Vitamin D. Der Körper produziert das Vitamin, wenn Sonnenstrahlen auf die Haut treffen. Allein durch Nahrung lassen sich die benötigten Mengen nicht aufnehmen.
Obwohl die Menschen in unseren Breiten durch ihre helle Haut an die vergleichsweise geringere Strahlungsintensität angepasst sind, gibt es nach Erkenntnis der Forscher doch zahlreiche Risikogruppen, die mit dem Vitamin unterversorgt sind. Zu ihnen gehören laut DIfE-Direktor Joost Menschen mit dunkler Hautfarbe und solche, die ihren Körper sehr stark bedecken. Der Ernährungswissenschaftler empfiehlt deshalb regelmäßige Blutuntersuchungen, um einem Mangel rechtzeitig vorzubeugen. Hierzulande sei das zwar unüblich, mache aber bei Kindern, Jugendlichen und Menschen in der Knochenaufbauphase bis zum 30. Lebensjahr Sinn. So könne beispielsweise einer späteren Knochenschwäche vorgebeugt werden. Tatsächlich warnen Ärzte schon lange davor, dass die Vitamin-D-Versorgung in unseren Breiten zu einem Problem werden könnte. Denn sie hängt vor allem von der Sonne ab. Treffen die ultravioletten Strahlen auf die Haut, wird aus den Vorstufen das eigentliche und lebenswichtige Vitamin D gebildet. Es ist für den Aufbau der Knochen verantwortlich und spielt für das Immunsystem eine wichtige Rolle. In Fachkreisen wird sogar der vorbeugende Effekt bei bestimmten Krebserkrankungen, Autoimmun- und Stoffwechselkrankheiten sowie der Anfälligkeit für Infektionen diskutiert.
Müdigkeit, Muskel- oder Gelenkschmerzen und häufige Erkältungskrankheiten können Anzeichen eines Vitamin-D-Mangels sein, so der Vorsitzende des Berufsverbandes der Nuklearmediziner (BDN), Detlef Moka. Häufig werden Patienten mit diesen unspezifischen Symptomen an Facharztpraxen überwiesen, um die Ursachen abklären zu lassen. Groß ist dann die Überraschung, wenn sich anstatt des vermuteten Rheumas oder einer Schilddrüsenerkrankungen ein handfester Vitamin-D-Mangel herausstellt. Allein in seiner Praxis würden mehr als ein Drittel aller Patienten unter einem Vitamin-D-Mangel leiden, so der Mediziner. Allerdings habe man den Vitamin-D-Gehalt im Blut nur bei Risikopatienten getestet. Moka geht davon aus, dass wahrscheinlich auch viele gesunde Menschen keinen normalen Vitamin-D-Spiegel haben – vor allem nach dem langen dunklen Winter 2013. Vom Herbst bis zum Frühlingsanfang reicht die Sonnenstrahlung in Mitteleuropa ohnehin kaum aus, um nennenswerte Vitamin-D-Mengen in der Haut zu synthetisieren.
Welche Folgen der Vitamin-D-Mangel noch haben kann, untersucht das Potsdamer DIfE in einer groß angelegten Studie, der EPIC-Potsdam-Studie. Schon vor zehn Jahren wurden dafür mehreren Tausend Menschen Blut abgenommen. Bis heute werden die Studienteilnehmer immer wieder befragt, ob und an welchen Erkrankungen sie leiden. Für Brian Buijsse von der Abteilung Epidemiologie am Ernährungsforschungsinstitut ist jetzt schon klar, dass das Vitamin D ein wichtiger Parameter für den Gesundheitszustand allgemein ist. Auf jeden Fall wisse man bereits, dass Bewegungsmangel, Fettleibigkeit und Alkohol mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel zusammenhängen. Auch genetische Ursachen, die Einfluss auf die Höhe des Vitamin-D-Spiegels im Blut haben, werden untersucht. Vielleicht stellt sich ja heraus, resümiert Buijsse, dass das Vitamin D anders als bisher gemessen und interpretiert werden muss. Aus Sicht des Forschers sei dies wichtig, denn möglicherweise spielt ein Vitamin-D-Mangel sogar bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes eine Rolle.
In seiner Praxis beobachtet der Mediziner Moka jedenfalls immer häufiger, dass ältere und übergewichtige Menschen, Berufstätige und Kinder, die sich viel in Innenräumen aufhalten, häufig vom Vitamin-D-Mangel betroffen sind. Wenn sich bei älteren Menschen erst einmal ein Vitamin-D-Mangel entwickelt hat, nehmen auch die Knochen- und Gelenkschmerzen zu. In der Folge, so Moka, bewegen sie sich noch weniger, sie gehen noch weniger an die Sonne und schließlich wird der Knochen vom Körper abgebaut. „Das ist der Anfang eines Teufelskreises“, so der Mediziner. Irgendwann werde der Knochen weich und breche schon bei kleineren Belastungen. Deshalb empfiehlt Moka eine zusätzliche Gabe von Vitamin D, weil eine ausreichende Versorgung über die Nahrung nicht möglich ist. Am einfachsten sei es aber, ans Tageslicht zu gehen. Eine Stunde Sonne pro Tag auf Gesicht und Unterarme reiche schon aus – wobei natürlich vor allem hellhäutige Menschen übermäßiges Sonnenbaden wegen des Hautkrebsrisikos vermeiden sollten. Wer im Sommer jeden Tag genug Sonne tankt und seine Speicher füllt, müsse sich im Winter kaum Sorgen machen.
Anja Laabs
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