Landeshauptstadt: Soundcheck im „Kreml“
Die CDU will Potsdamer Bands den alten Landtag übergangsweise zum Proben überlassen. Doch das Finanzministerium winkt ab
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Teltower Vorstadt - Hunderte Bands und Künstler suchen in Potsdam derzeit Proben- oder Atelierräume, mit dem geplanten Umbau der Alten Brauerei am Leipziger Dreieck fallen ab Ende April weitere Übungsflächen weg. Aus den Reihen der CDU gibt es nun den Vorschlag, den verwaisten Landtag auf dem Brauhausberg zu öffnen und zumindest zeitweise für Potsdamer Musiker zur Verfügung zu stellen – doch das für das Gebäude zuständige Finanzministerium unter dem Linken-Minister Christian Görke winkt ab.
Die Idee zur Nutzung des Landtagsgebäudes kommt von Clemens Viehrig, Mitglied der CDU im Jugendhilfeausschuss und Kandidat für die Stadtverordnetenversammlung im Innenstadt-Wahlkreis. Angesichts der laufenden Diskussion zur weiteren Nutzung des alten Landtags forderte Viehrig am Dienstag, das Gebäude solle in die Überlegungen für Ausweichstandorte für die Musiker einbezogen werden – selbst wenn das Haus nur zeitweise zur Verfügung steht. Aus Sicht von Viehrig böte das alte Parlamentsgebäude genügend Räume, die voll erschlossen seien. „Manchmal müssen unkonventionelle Lösungen gefunden werden – und in diesem Fall gibt es sicherlich Optionen“, so Viehrig, der als Leiter des Bundestagsbüros von Potsdams CDU-Chefin Katherina Reiche arbeitet.
Bei den vom Umbau der Alten Brauerei zu einer Wohnanlage betroffenen Bands stößt der CDU-Vorschlag auf Zustimmung. „Wir benötigen dringend eine kurzfristige Lösung – ab Ende April stehen wir auf der Straße“, sagte André Tomczak, der Sprecher der vom Rauswurf bedrohten Musiker, den PNN. Zugleich prüfe die Initiative, ob auch weitere leer stehende Immobilien für Probenräume zur Verfügung stünden – etwa das ehemalige „Minsk“-Terrassenrestaurant am Brauhausberg oder das frühere Gebäude der Volkshochschule in der Dortustraße. „Den alten Landtag hatten wir bislang nicht auf dem Schirm.“
Das über den Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB) zuständige Finanzministerium lehnt den Vorschlag von Viehrig ab. „Wie auch immer geartete Zwischennutzungen können nicht kostendeckend realisiert werden“, sagte Ministeriumssprecher Thomas Vieweg. Details zu möglichen Kosten nannte er nicht. Die Sprecherin der Stadtverwaltung, Christine Weber, wollte den Vorschlag Viehrigs nicht weiter kommentieren – das Finanzministerium sei für das im Volksmund „Kreml“ genannte Gebäude zuständig.
Vor Journalisten stellte Stadtplanungschef Andreas Goetzmann am Dienstag verbindliche Planungsziele vor, die die Stadtverordneten wie berichtet vermutlich im April für das alte Landtagsareal beschließen sollen (siehe Kasten). Dabei kündigte Goetzmann an, dass die Suche nach einem Investor für den verwaisten Backsteinbau wohl noch in diesem Jahr mit einer Ausschreibung gestartet werde. Insgesamt rechne er mit einer Entwicklungszeit von drei bis vier Jahren für den denkmalgeschützten Bau, so Goetzmann – das sei abhängig vom Investor.
Seit Jahren wird in Potsdam über fehlende Räume für Künstler und Jugendliche diskutiert, eine Reaktion darauf war die Eröffnung des Soziokulturzentrums „Freiland“. Weiter verschärft hat sich die Situation mit der noch andauernden Schließung des „Archiv“-Kulturzentrums und dem geplanten Umbau der Alten Brauerei. Auch weitere Räumlichkeiten seien bedroht, etwa das Kunsthaus „Sans Titre“ in der Innenstadt, sagte Betroffenensprecher Tomczak. Sein Vorwurf: In der Entwicklung der wachsenden Stadt werde die Lage unabhängiger Kunst und Kultur nur unzureichend berücksichtigt.
Am Samstag nun wollen Dutzende Musiker und Künstler um 15 Uhr in der Brandenburger/ Ecke Dortustraße auf ihre Situation aufmerksam machen – mit einer akustischen Performance. Das düstere Motto: „Wie klingt eine Stadt, in der es keine unabhängigen Kulturschaffenden und Kreativen mehr gibt?“
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