Von Erhart Hohenstein: Sowjetsoldat an der Gulaschkanone
Erinnerungen an das erste Potsdamer Pfingstbergfest vor zwanzig Jahren / Neuauflage vom 5. bis 7. Juni
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Nach mehrjähriger Pause wird es vom 5. bis zum 7. Juni wieder ein Pfingstbergfest geben. Ein Muss im 20. Jahr des Mauerfalls, sagt der Geschäftsführer des Fördervereins, Eckhard Braun. Schließlich sei die Erstauflage des Festes im Jahr 1989 nicht nur zur Initialzündung für die Rettung des königlichen Belvederes und für den Wiederaufbau des Schinkelschen Pomonatempels auf Potsdams höchster Anhöhe geworden. Sie bedeute ebenso einen regional bedeutsamen Schritt zur Überwindung der SED-Diktatur und für die Maueröffnung. Als Gründungsmitglied des Vereins wird Ministerpräsident Matthias Platzeck das Fest eröffnen, auch viele andere Premierenteilnehmer haben ihr Kommen zugesagt.
Der von der Baudenkmalpflegerin Eva Riks geleitete Förderverein will aus diesem Anlass archivierte Schätze heben und der Öffentlichkeit präsentieren. Dazu gehören die auf dem 1989er Fest gezeigten Ausstellungstafeln, die mit damals beachtlichem Wagemut durch Vergleiche zwischen den 60er und 80er Jahren nachweisen, wie das DDR-Regime das hochwertige Bau- und Gartendenkmal verfallen ließ. Zu sehen ist dabei auch das freche grüne Festplakat, auf dem der Grad des Verfalls und zu befürchtende Neubauvarianten dargestellt waren. Die Mitbegründerin der Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung (Argus), Carola Stabe, hatte trickreich die seinerzeit notwendige Druckgenehmigung besorgt; kurz darauf schrillten aber bei der SED-Obrigkeit die Alarmglocken. Zu spät – ihre Rückrufaktion ging ins Leere. Die Vereinsführung um den späteren Leiter des Oberbürgermeisterbüros, Wieland Eschenburg, konnte sich „nicht erinnern“, wohin überall sie die Plakate gegeben hatte. Zum Pfingstbergfest am 10. Juni 1989 kamen, für die Organisatoren kaum fassbar, dann an die 3000 Besucher. „Da rotteten sich keine Staatsfeinde zusammen ... – wir wollten einfach leben und uns dafür einen Freiraum schaffen“, erinnert sich Eschenburg. Regimefeinde der DDR seien sie nicht gewesen. Doch das sahen deren „Sicherheitsorgane“ anders. Dem großen Aufgebot der „Firma Horch und Guck“, also der Staatssicherheit, flogen auf dem Fest die kritischen Äußerungen nur so um die Ohren. Besucher hätten sich entsetzt gezeigt, steht in den Berichten, wie die Behörden solch einen Verfall zulassen konnten, und das Recht öffentlicher Kritik an diesen Missständen im Umwelt- und Denkmalschutz gefordert. Die Stasi kam zu dem Resümee, das Pfingstbergfest habe den Eindruck einer „Bürgerinitiative“ hervorgerufen, und das hielt sie für ganz schlimm.
Als „auffällig“ nannte sie neben Stabe und Eschenburg unter anderem die ohnehin „operativ zu beobachtenden Personen“ Matthias Platzeck, Bob und Hannelore Bahra, den Architekten Christian Wendland, das Malerehepaar Joachim und Carola Buhlmann, den Schauspieler Hans-Joachim Röhrig, die Fotografin Monika Schulz-Fieguth
Sanssoucis Schlösserdirektor Hans-Joachim Giersberg habe seine Zuversicht geäußert, das Belvedere werde wieder aufgebaut. Kritisiert wurde Juliane Nitsche, weil sie sich als Kreissekretärin des Kulturbundes für das Fest engagiert hatte. Besonders verärgert zeigte sich die von Oberst Puchert geleitete Stasi-Kreisdienststelle über das Kabarett „Bücherwürmer“, das für Potsdam einen verspäteten Beginn der von Gorbatschow eingeleiteten „Perestroika“ ankündigte.
Die Staatssicherheit konnte aber nicht umhin, dem 1. Pfingstbergfest „Volksfestcharakter“ zuzugestehen. Die lockere und optimistische Atmosphäre wird auch durch damals von Vereinsmitgliedern aufgenommene Fotos vermittelt, die auf dem bevorstehenden Fest unter dem Motto „Zeitensprung“ zu sehen sind. Das kurioseste zeigt einen russischen Soldaten, der aus einer Gulaschkanone Suppe austeilt. Sie war auf Bitten des Pfingstbergvereins von der Stadtkommandantur zur Verfügung gestellt worden. Wie Vereinsgeschäftsführer Braun verdeutlicht, soll sich das diesjährige Pfingstbergfest keineswegs auf einen geschichtlichen Rückblick beschränken, sondern vielmehr wie 1989 Spiel, Spaß, Tanz und Gespräch für die ganze Familie bieten. Zahlreiche Potsdamer Bürgervereine stellen sich vor; es gibt Musik zum Tanzen und Mits(w)ingen von K.C. McKanzie, Folkadelic Hobo Jamboree, Achim Maas, der Dickband mit der Tanzgruppe Schwenkhops sowie ein Kinderprogramm mit dem Lari Fari Caspertheater, dem Figurentheater Katrin Thiele, den Berliner Originalen Eckensteher Nante und Leiermann Bolle, dem MusikTheater PampelMuse, Märchenerzählerinnen und einer Malwiese.
Erhart Hohenstein
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