
© Andreas Klaer
Unterbringung von Flüchtlingen in Potsdam: Soziale Stadt will „Kreml“ nicht
Verein lehnt Trägerschaft für neues Flüchtlingsheim in dem alten Landtag auf dem Brauhausberg überraschend ab. Stadt beschließt indes ein Millionenpaket für die Flüchtlingshilfe.
- Henri Kramer
- Peer Straube
Stand:
Kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Hauptausschuss über die millionenteure Anmietung des alten Landtags als Flüchtlingsunterkunft hat der geplante Träger der Einrichtung das Handtuch geworfen. Der Verein Soziale Stadt, der den Betrieb des Gebäudes auf dem Brauhausberg für drei Jahre übernehmen und dafür einen Millionenbetrag erhalten sollte, überlegte es sich in letzter Minute anders. Stattdessen soll nun die Arbeiterwohlfahrt (Awo) in die Bresche springen.
Vereinsintern gab es Befürchtungen vor Personalmangel
Offenbar hat der Verein Soziale Stadt kalte Füße bekommen. „Weitere große Vorhaben“ entsprächen nicht „der derzeitigen Leistungskraft“, sagte Vereinschef Daniel Beermann auf PNN-Anfrage. Die Mitglieder hätten daher beschlossen, sich auf ihre bestehenden Projekte zu konzentrieren. Der einst von Angestellten der Pro Potsdam gegründete Verein betreibt unter anderem das Friedrich-Reinsch- Haus am Schlaatz und das Begegnungszentrum oskar in Drewitz. Nach PNN-Informationen wurden vereinsintern Befürchtungen laut, man würde nicht genügend qualifiziertes Personal finden, um die mit bis zu 470 Flüchtlingen größte Asylbewerberunterkunft der Stadt angemessen zu betreiben. Aus dem gleichen Grund gibt der Verein auch die Trägerschaft des Flüchtlingsquartiers in der Slatan-Dudow-Straße an den Internationalen Bund ab. Der Wohnverbund für Flüchtlingsfrauen in der Hegelallee und das Quartier im Staudenhof werden hingegen weiter vom Verein betreut.
Rückzieher auch aus Beratung
Einen Rückzieher hat der Verein auch bei der sozialen Beratung und Betreuung von ausländischen Flüchtlingen in Wohnungen gemacht. Bei der Neuausschreibung hatte er in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft den Zuschlag erhalten. Übernehmen soll nun die Diakonie, die bereits jetzt mit dieser Aufgabe betraut ist und die die Ausschreibung nach PNN-Informationen nur knapp gegen den Verein Soziale Stadt verloren hatte. 606 000 Euro soll die Diakonie künftig jährlich bekommen.
Beschlossen hat der Hauptausschuss am Mittwochabend im nicht-öffentlichen Teil ein fast sechs Millionen Euro schweres Maßnahmenpaket für 2016, mit dem die Stadt den Zustrom von Flüchtlingen bewältigen will. Der weitaus größte Posten entfällt auf Anmietung und Betrieb des alten Landtags. Für insgesamt fast fünf Millionen Euro will die Stadt das wegen seiner Vergangenheit als Sitz der SED-Bezirksleitung „Kreml“ genannte Gebäude für drei Jahre anmieten, wie von Teilnehmern der Sitzung zu hören war. Pro Jahr werden demnach Mietzahlungen in Höhe von 1,63 Millionen Euro fällig, hinzu kommen rund eine halbe Million Euro an Betriebskosten. Obwohl die Warmmiete mit 10,65 Euro pro Quadratmeter nicht eben preiswert erscheint, liegt sie nach PNN-Informationen noch niedriger als etwa die Miete des Awo-Flüchtlingsheims im Lerchensteig.
AWO übernimmt nun Asylheim im Kreml
Die Awo als neuer Träger des Kreml bekommt nun jährlich 1,34 Millionen Euro. Hinzu kommen Kosten für nötige Umbauten, etwa im Sanitärbereich, die der Kommunale Immobilien Service bezahlen muss. Erst im Sommer war der „Kreml“ vom Land für 8,65 Millionen Euro an ein Berliner Konsortium verkauft worden, das das marode Gebäude nebst 25 000 Quadratmeter großem Grundstück sanieren und es zum modernen Wohn- und Gewerbestandort entwickeln will. Diese Pläne liegen nun vorerst auf Eis.
Weitere fast 1,7 Millionen Euro gibt die Stadt ab Mitte 2016 jährlich für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aus. Träger wird die Gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung Brandenburger Kinder und Jugendlicher, die in Potsdam den „Fluchtpunkt“ betreibt, eine Notaufnahmestelle für Jugendliche in besonderen Problemsituationen.
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