Landeshauptstadt: Sozialer Klebstoff
In Drewitz entsteht eine Burg aus Lehm – und es wächst das Selbstbewusstsein
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Drewitz – Das Gebäude hat Form angenommen: Mehr als zwei Meter hoch ist das Lehmhaus in den letzten anderthalb Wochen gewachsen. Zwischen den Plattenbauten auf dem Ernst-Busch-Platz entsteht eine Burg, mit Wendeltreppe, kleinem Innenhof, Säulengängen und Zinnen. Den Eingang krönt ein überlebensgroßer Kopf mit zwinkerndem Auge.
Das Fantasiegebäude ist Ergebnis der Aktion „Bauen mit Lehm für Groß und Klein“, die der Hamburger Verein Bunte Kuh e.V. seit dem 6. September in Drewitz organisiert. Die Baustelle ist offen für alle und wird rege frequentiert, so Nepomuk Derksen vom Verein Bunte Kuh. Das liegt an der „Verführungskraft, die das Material auf fast alle ausübt“, glaubt Derksen. Insgesamt 2000 Kinder und Erwachsene haben nach seiner Schätzung in Drewitz mitgebaut. Morgen soll das begehbare Lehmschloss fertig sein und bei einem Fest ab 15 Uhr eingeweiht werden.
Bis dahin muss aber noch einiges passieren. Felix und Janes arbeiteten gestern Vormittag konzentriert an einer Rutsche, in der allerdings ein backblechgroßes Loch klaffte. „Das Loch machen wir noch zu“, erklärte der fünfjährige Janes, ohne von der Arbeit aufzublicken. Die Kinder aus der Kita Märchenland waren gestern schon zum zweiten Mal vor Ort. „Das wird schon gut“, versicherte der fünfjährige Felix, während er konzentriert Lehmstücke mit der Faust an der Rutsche fest klopfte. Damit die „Baustelle“ frisch bleibt und nicht vor Abschluss der Arbeiten trocknet, muss die Burg immer wieder mit der Gießkanne begossen werden.
24 Kubikmeter Lehm hat Nepomuk Derksen anfahren lassen, das sind über 30 Tonnen. „Unsere Spezialmischung, aus drei verschiedenen Lehmsorten“, verrät der Künstler und Architekt. Das 25 000 Euro teure Projekt wird unter anderem von Stadtkontor, dem Landespräventionsrat Brandenburg, dem Havel-Nuthe-Center und Pro Potsdam finanziert. Auf Idee des Regionalen Knotenpunktes für Gesundheitsförderung holte der Förderverein der Kita Storchennest e.V. das Lehmbauprojekt nach Potsdam.
Während die Lehmbaustelle für Potsdam eine Premiere ist, arbeitet Derksen schon seit 20 Jahren mit dem Konzept. Er nennt die Bauaktion eine „Stolzproduktionsanlage“. Denn mit der gemeinsamen Arbeit an einem Haus werde nicht nur die Gestaltungskompetenz der Beteiligten gefördert und anschauliches Wissen über Architektur vermittelt. Wichtiger noch sei die „soziale Integration“, so der 49-Jährige. Bei der Arbeit erführen Kinder und Erwachsene, dass sie gemeinsam etwas schaffen können, was sie vorher für unmöglich gehalten hätten. Das wiederum stärke das Selbstbewusstsein. Derksen kann eine ganze Reihe positiver Effekte aufzählen, die das nach sich zieht: Weniger aggressive, dafür motorisch gut ausgebildete Kinder ohne Aufmerksamkeitsprobleme sind seiner Erfahrung nach das Resultat. Dem Naturbaustoff spricht er „soziale und kulturelle Klebekraft“ zu.
Und die werde gerade in Stadtgebieten mit hohem Arbeitslosenanteil benötigt, so Derksen. In Potsdam bestehe da „Nachholbedarf“. Stadtteilmanagerin Kathrin Feldmann kann sich eine Neuauflage vorstellen. Denkbar sei die Lehmstadt aber auch an anderen Standorten wie dem Stern oder am Schlaatz.
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