Von Henri Kramer: Sozialkodex für Potsdam in Sicht
Potsdams Verwaltung reagiert auf Vorwürfe gegen Sozialträger: Ideen für neue Kontrollverfahren gesucht
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Im Zuge der „Maserati“-Affäre bei der Treberhilfe sind auch andere in der Landeshauptstadt aktive Sozialträger in die Schlagzeilen geraten. Potsdams Stadtverwaltung, die an die Träger jährlich Millionenbeträge etwa für Kitas, Betreuungsangebote und weitere soziale Projekte gibt, will nun auf die Vorwürfe reagieren. Sozialdezernentin Elona Müller (parteilos) hat nach Ostern zu einer verwaltungsinternen Runde eingeladen, in der „Ideen für neue Kontroll- und Prüfverfahren“ bei sozialen Trägern entwickelt werden sollen. Das sagte die Müller gestern den PNN auf Anfrage. Nach der Runde werde das Gespräch mit den Sozial-Unternehmen gesucht, so die Dezernentin: „Wir müssen das machen, denn wir sind verantwortlich, dass öffentliche Gelder bestimmungsgemäß verwendet werden.“
Denkbar sei zugleich eine Selbstverpflichtung für in Potsdam tätige Sozialträger, transparent mit öffentlichen Geldern zu wirtschaften, so Müller – eine Art Sozialkodex. „Das wäre ein klares Signal, auch der Träger.“ Zur Transparenz gehöre etwa die Offenlegung von Gehältern für Geschäftsführer und Berater, ebenso ein Überblick der Dienstwagenflotte. „Wir werden rechtlich prüfen, welchen Einfluss wir nehmen können“, so die Beigeordnete. Doch auch für die Träger gehe es darum, durch Offenheit einen Imageschaden zu verhindern, so Müller: „Es muss vermieden werden, dass gute Arbeit, die von Sozialträgern geleistet wird, unter generellen Betrugsverdacht gestellt wird.“
Damit beginnt in Potsdam eine Diskussion, die im Landtag und im benachbarten Land Berlin bereits geführt wird. Sie ist eine Konsequenz aus der Treberhilfe-Affäre: Dem früheren Chef des Trägers wird vorgeworfen, öffentliche Mittel zweckentfremdet zu haben. Es geht um einen Maserati-Luxusdienstwagen und ein Brutto- Jahresgehalt von über 300 000 Euro. In der Bundeshauptstadt strebt der Senat nun neue Kontrollbefugnisse im Sozialbereich an. Mit einem Sozialkodex soll laut Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) sichergestellt werden, dass die Gehälter der Geschäftsführungen offengelegt und Beschäftigte nach Tarif bezahlt werden. Geschäftsführung und Kontrollinstanzen müssten streng getrennt sein. Geprüft wird, ob Vereine, die den Codex nicht einhalten, von Leistungen ausgeschlossen werden können. Auch Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD) hatte vergangene Woche einen Ehrenkodex bei Sozialvereinen gefordert.
Vergangenen Freitag hatte die Stadt Potsdam wegen der Affäre das mit der Treberhilfe geplante Tierheim für Potsdam endgültig gestoppt. Wie es weiter geht, ist ungewiss. Zudem hatten Journalisten zuletzt über Unregelmäßigkeiten bei den auch in Potsdam tätigen Trägern Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) und dem Verbund „Independent Living“ (IL) berichtet. Bemängelt werden interne Kontrollmechanismen und Transparenz. Vor einem Jahr war zudem die Potsdamer Arbeiterwohlfahrt unter anderem wegen undurchsichtiger Berater-Verträge in die Kritik geraten. Die Träger wehren sich heftig gegen solche Vorwürfe, zum Teil auch juristisch. Zugleich wird, wie vom EJF, die „besonders verantwortungsvolle Unternehmensführung“ betont. Das Unternehmen würde gleich von mehreren Stellen regelmäßig geprüft, so EJF. „Erschrocken“ über die Berichterstattung zeigte sich gestern Irene Seidel, Chefin der Potsdamer IL-Tochterfirma. Es sei „schlimm“, dass „alle“ in der Branche nun in einem Atemzug mit der Treberhilfe genannt werde. Bei der IL in Potsdam gäbe es keinen Anlass für Beanstandungen. „Wir müssen schon jetzt genau abrechnen“, so Seidel.
In der Potsdamer Stadtpolitik ist das Thema Sozialträger längst angekommen. Handlungsbedarf sieht SPD-Chef Mike Schubert, sagte er den PNN: „Die öffentliche Hand soll die Vorgaben für die Träger machen – dabei kann ein Sozialkodex, der Regeln verbindlich definiert, hilfreich sein“. Auch Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sagte, eine Liste von „eigentlichen Selbstverständlichkeiten“ für die Transparenz beim Einsatz öffentlicher Mittel sei sinnvoll, um Druck auf Träger auszuüben: „Sie leben von dem Anspruch, verantwortungsvoll mit Geldern umzugehen.“ Ebenso für Transparenz – gerade bei Beraterverträgen – sprach sich Grünen-Chef Nils Naber aus. Potsdams CDU- Landtagsabgeordneter Steeven Bretz betonte die Verantwortung der Stadtverwaltung: „Notwendig sind schärfere Kontrollen bei den Trägern.“ Noch weiter ging die FDP. „Auch in Potsdam gibt es eine Sozialindustrie, die Druck für die Bereitstellung von öffentlichen Geldern für vermeintlich gute Zwecke ausübt und sich empört, wenn kontrolliert werden soll“, so FDP- Sprecher Berend Diekmann – bei der Aufgabe der Verwaltung, den Einsatz öffentlicher Gelder unvoreingenommen zu prüfen, gäbe es „Nachholbedarf“. (ddp/Tsp.)
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