Landeshauptstadt: Spaghetti á la carte
Wie im Film: Kinder aus Gomel zu Gast in Potsdam
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Vierzehn Touristen aus Weißrussland waren gestern im Hotel Mercure zu Gast: Spaghetti vom Küchenchef persönlich zubereitet und Eis aus der Tüte standen auf der Speisekarte – viel mehr brauchte es nicht, um den Kindern eine Freude zu machen. Ihr Heimatort Gomel wurde beim Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 verstrahlt – seit dem leide fast die Hälfte aller Kinder in der Stadt unter Entwicklungsstörungen, sagt Lotte Menzel, die Vorsitzende des Vereins der Tschernobylkinder.
Und auch wenn die Kinder, die in diesem Sommer drei Wochen in Deutschland verbringen, aus geregelten Verhältnissen kommen und alle die Schule besuchen, erscheint vielen von ihnen ihr Besuch wie ein Märchen oder ein Film. Es ist eine Reise ins Ausland, die ihre Eltern sich gar nicht leisten könnten. Sie habe sich einmal gefragt, ob es nicht grausam sei, die Kinder für drei Wochen in eine Art Schlaraffenland zu holen und sie dann wieder nach Gomel zu schicken, wo nach all den Jahren das Grundwasser noch immer verseucht und der Boden noch immer verstrahlt ist, sagt Menzel. Doch positive Rückmeldungen und das 305. Kind, dem ihre Organisation den Aufenthalt in Deutschland ermöglicht, bestätigten sie darin, das Richtige zu tun.
Eine Woche haben die Schüler bisher im Ferienlager in Wilhelmshorst verbracht, haben Keramiken hergestellt, sind von der Feuerwehr herumkutschiert und nun gestern von Küchenchef Michael Häberer im Mercure verköstigt worden. Die nächsten beiden Wochen werden sie in Potsdamer Gastfamilien verbringen und viel an der frischen Luft unternehmen. Schon drei Wochen, sagt Menzel, seien ausreichend, um die Gesundheit und Entwicklung der Kinder für ein ganzes Jahr positiv zu beeinflussen.
Das Engagement in der Potsdamer Region sei von Jahr zu Jahr gewachsen, sodass den Kindern heute einiges geboten werden kann. Der Verein der Köche Potsdam engagiert sich seit mittlerweile zehn Jahren für die Kinder aus Weißrussland und lädt sie alljährlich zum Essen ins Mercure. Um jedes Jahr die Reisen nach Potsdam für die sozial schwachen Kinder der Schule 7 in Gomel finanzieren zu können, veranstalten die Köche Benefiz-Spargelschälwettbewerbe und der Verein der Tschernobylkinder verkauft Kuchen und Marmelade auf Bazaren und Weihnachtsmärkten. Die Netzwerke erstrecken sich auch auf die Gasteltern, die manchmal den Kontakt zu „ihren Kindern“ halten, wenn diese schon lange wieder nach Gomel zurückgekehrt sind. Sara Merdian
Sara Merdian
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