
© Andreas Klaer
Von Guido Berg: Spanien im Sinn
In Potsdam erforscht ein Verein antifaschistische Biografien – auch die des 92-jährigen Fritz Teppich
Stand:
Er trägt den Oberlippenbart wie ein Spanier. Ein Bereich von etwa einem Zentimeter zwischen Bartansatz und Lippenrand sind scharf rasiert, mit Akkuratesse. Gestützt von seinem Sohn Helmut und einem Stock betritt der 92-Jährige das kleine ehemalige Ladenlokal in der Potsdamer Hessestraße. Nach der Renovierung werden die beiden Räume ab Frühjahr 2010 Sitz des Vereins sein, der seinen Namen trägt, der Fritz-Teppich-Verein zur Sammlung antifaschistischer Biografien.
„Jeder kennt die Hermann-Elflein-Straße, aber wer weiß, wer Hermann Elflein ist?“ So beschreibt Vereinsgründer Herbert Driebe das Anliegen. Der Verein werde Broschüren über die jeweilige Vita von Antifaschisten erstellen. Zudem soll eine Bibliothek aufgebaut werden mit allen Büchern, die unter den Nationalsozialisten verboten waren. Zur Einordnung: Driebe selbst ist bislang politisch aktiv gewesen in oder für Parteien, die als links von der SPD gelten dürften, also für die USPD, KPD, WASG
So ist klar, dass es um den kommunistischen Widerstand geht, und auch Fritz Teppich ist Kommunist. Detailfragen zu seinem Leben beantwortet Fritz Teppich gern in Fidel-Castroscher Ausführlichkeit. Antworten beginnen etwa mit „Ich wurde geboren am 26. November 1918, auf dem Höhepunkt der deutschen November-Revolution “ Virtuos meandern seine Ausführungen durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts, die sein Leben war. Driebe hätte sich für den Verein keinen passenderen Namenspatron suchen können: Diese Biografie gilt es zu bewahren. Fritz Teppich ist oder war Großbürgersohn, Jude, Antizionist, Kommunist, Journalist, Spanienkämpfer, Autor der Bücher „Der rote Pfadfinder“ und „Unter Spaniens Himmel“.
„Wir waren jung, rot war toll“, ruft Teppich, seine Augen blitzen. Er ist sich sicher, schon mit zwölf aufgrund einer höheren Einsicht in der Geschichte Lauf Kommunist gewesen zu sein. Zu denen, die ihn bei den roten Pfadpfindern in linke Ideen einweihten, gehörte Franz Krahl, Vater von City-Sänger Toni Krahl.
1936 arbeitet Fritz Teppich als Koch im belgischen Hotel „Ardennenschloss“. In einer Zeitung liest er vom Staatsstreich rechter Militärs gegen die junge spanische Republik. Die belgischen Jungsozialisten wollen runterfahren und kämpfen, „klar da muss ich auch hin“, sagt sich der 17-Jährige. Schließlich: „Jeder der fortschrittlich war, hatte damals Spanien im Sinn.“ Teppich wird ein Gudari, ein Angehöriger der baskischen Armee. Zunächst schleppt er Munitionskisten. Innerhalb von vier Wochen wird er zum Maschinengewehrschützen ausgebildet. Manchmal ist auch Zeit, in der Heimatstadt seiner Freundin in einem Café zu sitzen – in Guernica.
Am 26. April 1937 ist Teppichs 20-Millimeter-Maschinenkanone der Schweizer Firma Oerlikon auf den spanischen Himmel gerichtet. Er hat Stellung bezogen auf einem Berg beim Dorf Barandio. Leicht hätte es sein können, dass ein deutscher Jude und Kommunist 1937 ein deutsches faschistisches Bombenflugzeug abschießt. Doch das Schicksal will es nicht. „Sie kamen übers Meer“, berichtet Teppich, nicht über die Berge. Ju-52- Bomber der Legion Condor greifen Guernica mit Brandbomben an, es ist das erste Flächenbombardement auf eine Stadt überhaupt. An diesem Montag ist gerade Markttag, 1400 Menschen sterben. Teppich muss hilflos zusehen, wie rötliche Rauchschwaden aus der Stadt aufsteigen – „sehr beängstigend“.
Vergeblich sucht Teppich seine Freundin im zerstörten Guernica. Erst Jahre später erfährt er, dass sie es nach Frankreich geschafft hat, wo sie später stirbt. Fritz Teppich hat sie nie wiedergesehen.
Im Sommer 1939 ist Teppich zurück in Belgien, muss aber vor der einrückenden deutschen Wehrmacht fliehen. Über Frankreich und Spanien schlägt er sich nach Portugal durch. Das dortige Salazar-Regime verfolgt zwar Kommunisten, aber immerhin keine Juden. Um ein Visum zu bekommen, gibt er sich als Spanier aus. Keinesfalls durfte er an der Grenze als Flüchtling erkannt werden. Darum hat Teppich keinen Koffer dabei, er trägt einen Anzug, saubere Schuhe und natürlich einen akkurat frisierten Oberlippenbart.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: