
© A. Klaer
Von Jan Brunzlow, Guido Berg und Henri Kramer: Sparen in der Psychiatrie
Klinikum „Ernst von Bergmann“: Brisantes Gesprächsprotokoll aufgetaucht
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Babelsberg/ Innenstadt - Zu den Umzugsplänen für die Psychiatrie des Klinikums „Ernst von Bergmann“ vom Standort An der Aue in die Innenstadt sind brisante Dokumente aufgetaucht. Darin wird das Vorhaben von Krankenhauschef Steffen Grebner mit deutlich anderem Zungenschlag begründet, als in den bisherigen öffentlichen Verlautbarungen. Das geht aus einem drei Seiten langen Gesprächsprotokoll zu den Plänen hervor, das den PNN vorliegt. Dem Papier zufolge soll Grebner die „Notwendigkeit von Einsparungen“ betont und danach gesagt haben: „In der Psychiatrie könne man gut sparen, da die Patienten dort meist nicht so mündig seien, sich nicht so schnell beschwerten und auch nur selten Besuch bekämen.“
Das Papier, das den PNN zugespielt wurde, ist als Protokoll eines Gesprächs vom 15. Juli dieses Jahres gekennzeichnet. Aufgelistet als Teilnehmer sind Klinikumschef Grebner, Psychiatrie-Leiter Christian Kieser sowie die „Assistentenrunde“ des Zentrums für Psychiatrie. Allerdings existiert unter dem Schriftstück keine Unterschrift. Eine Sprecherin des Klinikums bestätigte gestern die Sitzung am 15. Juli. Jedoch habe es danach kein inhaltlich abgestimmtes Protokoll gegeben. Grebner selber weilt derzeit im Urlaub und war gestern nicht zu erreichen. Kieser wollte unter Verweis auf seine Schweigepflicht keine Stellungnahme abgeben. Doch niemand dementierte die Äußerungen gegenüber den PNN, einige Mitarbeiter des Hauses bestätigten die Angaben.
Die Überlegungen, wesentliche Teile des Babelsberger Standortes an den Klinikum-Hauptsitz in der Innenstadt zu verlegen, waren vor anderthalb Wochen öffentlich bekannt geworden. Es würden diverse Alternativen zum Standort In der Aue geprüft, hieß es offiziell. Man erhoffe sich „besseren Service für Patienten“, aber auch „wirtschaftlichere Abläufe und kürzere Wege“. Die Planungen sollen im Herbst abgeschlossen sein. Hinter vorgehaltener Hand war bereits von „fachlichen Vorbehalten“ gegen die Pläne der Klinikleitung die Rede. Auch seien die Psychiatrie-Patienten aktuell in Zwei-Bett-Zimmern mit Toilette untergebracht, in der Innenstadt seien die WCs auf dem Flur und die Bettenzahl pro Raum größer.
Auch in dem vorliegenden Protokoll werden Vorbehalte deutlich. Gleich zu Anfang heißt es, aus Sicht der Assistenzärzte „würden die wirtschaftlichen Gesichtspunkte gegenüber den Aspekten Versorgungsqualität und Mitarbeiterzufriedenheit einen im Verhältnis zu hohen Stellenwert einnehmen.“ Grebner wird dagegen mit den Worten zitiert, „wie wichtig es für ein Unternehmen sei, schwarze Zahlen zu schreiben“. Weiter wird Grebner zitiert: „Es sei klar, dass Patienten in die Kliniken gingen, die bessere Qualität böten, es sei aber auch so, dass bessere Qualität in der Versorgung nicht entlohnt werde.“ Für die Überlegungen zum Umzug der Psychiatrie spielten „Einsparungen bei den Personal- und Raumkosten eine Rolle“. Die Einsparungen seien wegen der Pflegesätze für 2010/2011 nötig, so Grebner laut dem Papier.
Später im Protokoll soll Psychiatriechef Kieser gefragt haben, ob es nicht ein „sinnvoller Schritt sei, an die Öffentlichkeit zu gehen“ und deutlich zu machen, dass Psychiatrie unterfinanziert werde. Dazu heißt es: „Herr Grebner riet aktuell von ’Frontalaktionen’ ab, da derzeit die Oberbürgermeisterwahl anstehe.“
Am Ende geht es um die Zukunft von sogenannten Genesungsbegleitern, die bei der Behandlung akut psychisch Erkrankter helfen sollen. Grebner gibt laut Protokoll an, einen Patientenbrief zur Weiterbeschäftigung dieser Helfer bekommen zu haben. Weiter heißt es: „Diese Briefe beeindruckten ihn aber nicht. Er wisse Patientenbriefe einzuschätzen, diese seien zu 20 Prozent Eigenregie und der Rest sei fremdorientiert.“
Zugleich scheint das Umzugsvorhaben schon konkret zu sein. Laut Protokoll sollen für die Psychiatrie „in den nächsten Jahren“ neue Gebäude erstellt werden, „voraussichtlich dort, wo derzeit das Klinikrestaurant sei“. Grebner stelle sich einen vierstöckigen Neubau vor, der 2015 fertiggestellt werden könne, heißt es. Der Innenhof im Klinikum könne dann als Außenanlage „entsprechend“ der Außenanlage In der Aue genutzt werden. Eine Patientin hatte den PNN gesagt, sie hätte dann Angst davor, von anderen Patienten oder Besuchern erkannt zu werden. Sie fürchte zudem den Verlust von Ruhe, die In der Aue herrsche.
Ebenso geht es in dem Papier um Personalplanungen in der Psychiatrie. Grebner wird dabei zitiert, „dass man auch über die normale Fluktuation der Mitarbeiter, die fünf Prozent ausmachen würde, Einsparungen vornehmen könne“. Man wolle „keinen Raubbau“ am Personal betreiben, heißt es weiter, aber „aus wirtschaftlichen Gründen“ könne es bei „dem einen oder anderen“ dazu kommen, dass der Vertrag nicht verlängert werde.
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