Homepage: Spaziergang durchs letzte Jahrtausend
Der Mathematiker Jürgen Döllner entwirft am Hasso-Plattner-Institut virtuelle 3D-Welten
Stand:
Wie ein rotes Band zieht sich die Berliner Mauer durch das Stadtmodell. Während in der Realität kaum noch Überreste der einstigen Schnittwunde zwischen den Systemen auszumachen sind, kann der Betrachter ihrem Verlauf in der virtuellen Welt einer dreidimensionalen Animation nachspüren. Sichtbar wird die Historie im Center der „Berlin Partner“ in der Berliner Fasanenstraße, aber auch auf dem heimischen Computer mit entsprechendem Programm bei der Kartensoftware „Google Earth“. Möglich gemacht hat dies auch der Potsdamer Professor Jürgen Döllner vom Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI). „Die Mauer in das bestehende Modell einzufügen, war eigentlich nicht besonders anspruchsvoll“, findet er.
Seit 2001 unterrichtet Döllner am HPI das Fachgebiet Computergrafische Systeme. Der 44-jährige Mathematiker studierte zunächst an der Universität Siegen, um dann in Münster zu habilitieren und zu promovieren. Trotz der schnurgeraden universitären Karriere gründete er zwischenzeitlich mehrere Firmen. Die Unternehmen tummeln sich nun ebenfalls kommerziell erfolgreich und eigenständig auf seinem Fachgebiet, der dreidimensional generierten Realität.
Aber Döllner interessieren nicht so sehr praktische Anwendungen der von ihm mit entwickelten Programme, wie der Einbau der Berliner Mauer in das Stadtmodell. „Wissenschaftliche Herausforderungen treiben mich an“, erklärt der Mathematiker.
Bei der Visualisierung des dreidimensionalen Models der historischen Stadt Köln seien solche Anforderungen gegeben gewesen. Zusammen mit seinen Studenten hat Döllner eine Software entwickelt, die es erlaubt, Köln zur Zeit des Römischen Imperiums zu visualisieren: Es entsteht und verändert sich, während der Besucher durch das virtuelle Bild wandert. Das ist einerseits für Archäologen interessant, andererseits aber auch für Besucher im römisch germanischen Museum direkt neben dem Kölner Dom, die durch das Modell gleiten können. Über einen berührungsempfindlichen Bildschirm können sie eine Wanderung durch eine Stadt unternehmen, die schon seit mehr als einem Jahrtausend von neuen und anderen Bauten überlagert wird.
Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut in Magdeburg programmiert Döllner für ein ähnliches Projekt sogenannte „Emersive Umgebungen“: Auf die Wände einer Röhre projizieren Beamer dreidimensionale Modelle von Gebäuden und Stadtansichten, in denen sich der Betrachter durch eine Steuerung bewegen kann. „Da gibt es ein Eintauchen in die virtuellen Welten, dem sich der Betrachter nicht entziehen kann“, meint Döllner. Das Stadtmodell werfe besondere Schwierigkeiten auf, weil der Lichteinfall, die Schatten und auch die Strukturen von Gebäuden möglichst realistisch gezeigt werden sollen. Das Forschungsprojekt soll es beispielsweise Stadtplanern ermöglichen, eine realistische Sicht auf die künftigen Straßen und Alleen zu entwickeln, bevor Wohnblöcke abgerissen oder Straßenzüge verlegt werden. „Die künftige Stadt kann dann aus der Sicht des Fußgängers und nicht nur auf dem Plan aus der Vogelperspektive betrachtet werden“, beschreibt Döllner die Simulation.
Künftig werden die dreidimensionalen Stadtmodelle möglicherweise auch auf dem Smartphone verfügbar sein. Zwar reiche die Rechnerleistung der Telefone eigentlich nicht für eine entsprechende Simulation aus. Er habe aber einen Weg gefunden, das Bild nicht dem Telefon, sondern auf einem externen Server entstehen zu lassen und dann zu übertragen, erläutert Döllner.
Wie bei den Stadtmodellen arbeitet der Professor derzeit daran, Georisiken wie Feuer oder Überschwemmungen zu simulieren. Ziel ist es hier, möglichst realistisch nach Rettungsmöglichkeiten und Auswegen zu suchen.
Einen Ausweg aus verfahrenen Situationen bietet auch die Visualisierungssoftware, die Döllner für Prozesse in Rechenprogrammen entwickelt hat. „Softwaresysteme sind ja an sich nicht sichtbar. Auch teuer entwickelte Software und große Projekte können mit einem Mausklick rückstandsfrei eingedampft werden“, erklärt Döllner den Ausgangsgedanken der Software. Um Prozesse anschaulich zu machen, die möglicherweise bei der Entwicklung der Software oder später im Programm falsch gelaufen sind, generiert das Visualisierungsprogramm Landschaften aus geometrischen Elementen, die sich entsprechend den Rechenschritten verändern.
Die Arbeit und Forschung Döllners besteht zu weit überwiegenden Teilen aus reiner Mathematik. Das ist dem Professor auch recht, denn dort werden seiner Ansicht nach die spannenden Probleme gelöst.
Richard Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: