
© M. Thomas
Landeshauptstadt: SPD stellt Regeln für Potsdam-Monopoly auf
Fraktion will per Stadtparlamentsbeschluss Richtlinie für Grundstücksverkäufe von Stadt und Pro Potsdam einführen
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Die Potsdamer SPD will die Verwaltung unter ihrem Oberbürgermeister Jann Jakobs und die Stadt-Konzerne wie Pro Potsdam und Stadtwerke vor dem Hintergrund dubioser Grundstücksgeschäfte auf eine neue Linie zwingen. Am Montagabend einigte sich die SPD-Fraktion unter Fraktions- und Parteichef Mike Schubert darauf, per Stadtverordnetenbeschluss eine Richtlinie für Grundstücksverkäufe einzuführen. „Wir wollen für alle nachvollziehbare Regeln für die städtischen Grundstücksgeschäfte aufstellen“, sagte Schubert. Er hat der Fraktion bereits einen Vorschlag für die neuen Regeln vorgelegt, in der kommenden Fraktionssitzung wollen die Sozialdemokraten sich auf einen Antragstext einigen. Basis für die Potsdam-Richtlinie soll nach Angaben Schuberts die EU-Regel sein, in der die Europäische Kommission detaillierte Vorgaben zum Verkauf von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand macht.
Die EU-Regeln, die keine Rechtskraft haben, böten aber sehr wohl „einen Handlungsrahmen, den man für eine eigene städtische Richtlinie für Immobilienverkäufe“ nutzen könne, so Schubert. Sie macht auch Vorgaben zu dem am Montagabend in der SPD-Fraktion ausführlich diskutierten Punkt der Ausschreibungsfristen. Dabei hatten das Rathaus und die Pro Potsdam GmbH bisher bei den aktuell in die Schlagzeilen geratenen Verkäufen von städtischem Vermögen immer betont, Ausschreibungsfristen von drei bis vier Wochen seien ausreichend. Die EU aber sieht eine faire Ausschreibung nur, wenn die Immobilien für einen „längeren Zeitraum (zwei Monate und mehr)“ öffentlich angeboten werden, wie es in der Mitteilung aus dem Jahr 1997 heißt. Auch macht die EU dezidierte Vorgaben dazu, wie eine Ausschreibung ausreichend publiziert ist – nämlich durch mehrfaches Annoncieren in einschlägigen Medien.
Die SPD-Fraktion will mit der Potsdam-Richtlinie sicherstellen, dass Angebote künftig mindestens zwei Monate publik gemacht werden, damit alle potenziellen Käufer davon erfahren können. Außerdem wollen die Sozialdemokraten prüfen, ob mit der neuen Richtlinie auch Themen regelbar sind, die wegen steigender Mieten in Potsdam und des Wohnraummangels durch steten Zuzug fortlaufend in der Stadtpolitik diskutiert werden: So könnte in der Richtlinie auch eine Mietpreisbindung für Neubauten festgeschrieben werden; zudem will die SPD per Richtlinie fördern, wenn Potsdamer Eigentum zur eigenen Nutzung erwerben wollen. Schubert erklärte, Potsdam betrete mit der Immobilien-Richtlinie kein Neuland. In Brandenburg hat beispielsweise Rathenows Stadtparlament eine solche Richtlinie beschlossen, bundesweit gibt es sie in der Landeshauptstadt Stuttgart und in Offenburg (Baden-Württemberg).
Bekommt die SPD wie zu erwarten für ihren Vorschlag die Unterstützung der Rathaus-Kooperation, in der sie mit CDU/ANW, Grünen und FDP zusammenarbeitet, ist die Einführung der Potsdam-Richtlinie sicher.
Aktuelles Beispiel dafür, dass feste Regeln notwendig sind, ist der Verkauf von städtischen Grundstücken an der Karl-Liebknecht-Straße 1-11 in Golm (PNN berichteten). Dabei ist weiter unklar, nach welchen Regularien die Stadtspitze ein sogenanntes „Nachgebot“ des Unternehmens Semmelhaack zugelassen hat, das schließlich auch den Zuschlag bekam. Befragt nach den rechtlichen Grundlagen für das Verfahren, das Semmelhaack ermöglichte, nach dem Ausschreibungsschluss am 22. Oktober 2010 noch am 22. Juni 2011 – kurz nach Sitzung des Ortsbeirats Golm und kurz vor der entscheidenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung – ein Gebot über 2,855 Millionen Euro abzugeben, verweigert die Stadtverwaltung die Antworten mit Verweis darauf, dass Grundstücksverkäufe nicht-öffentlich behandelt würden. Nach PNN-Informationen waren die Verantwortlichen im Rathaus jedoch explizit davor gewarnt worden, das „Nachgebot“ Semmelhaacks noch zuzulassen.
Vor dem Hintergrund der im defizitären Haushalt fest eingeplanten Einnahmen aus dem Verkauf des städtischen „Tafelsilbers“ sind die Warnungen vor einem unzulässigen Verfahren jedoch offenbar ignoriert worden. Auch die Mehrheit der Stadtverordneten, die den Verkauf an Semmelhaack absegnete, fand an dem Geschäft offensichtlich nichts Kritikwürdiges. Bemerkenswert: Zu den Zweifeln am Verwaltungshandeln äußert sich bisher auch die linke Rathaus-Opposition nicht. Ihr werden allerdings auch gute Drähte zu Semmelhaack – in Potsdam wichtiger Investor und privater Anbieter von Wohnungen – nachgesagt. Zumindest stellt die Linke im Stadtparlament immer wieder Anträge, die sich mit den Rahmenbedingungen von Semmelhaack-Bauvorhaben beschäftigen.
SPD-Fraktionschef Schubert betonte ausdrücklich, die politische Initiative für die Potsdam-Richtlinie habe nichts mit der aktuellen Debatte von Unregelmäßigkeiten bei der millionenschweren Privatisierung städtischer Immobilien per „Gewoba-Modell“ im Jahr 2000 zu tun. Dennoch traten bereits damals dieselben Schwächen auf, die heute in der Kritik stehen: Die Pro-Potsdam-Tochter Gewoba veräußerte das städtische Vermögen in zwei Paketen für insgesamt 26,3 Millionen Euro an Semmelhaack. Das erste Grundstückspaket bot sie sechs selbst ausgewählten Unternehmen an, das zweite schrieb sie mit einer einzigen Anzeige in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aus. Das sei „ganz offenkundig im Einvernehmen zwischen allen dazu befugten Entscheidungsträgern des Unternehmens und seiner Organe“ erfolgt, erklärte die Gewoba-Mutter, der kommunale Konzern Pro Potsdam, auf Anfrage.
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