Landeshauptstadt: Speiseplan für Zauberschüler
Jeder fünfte 15-Jährige kann kaum lesen: Wie Potsdamern das Lesen schmackhaft gemacht werden soll
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Ob „Berti Botts Bohneneintopf“ nach Ohrenschmalz schmeckt? Die Schüler der Neuen Grundschule Potsdam können es probieren: Das Gericht steht heute bei ihnen auf dem Speiseplan. Denn an der Privatschule am Stern ist in dieser Woche „Harry-Potter-Woche“. Schul-Caterer Bärenmenü hat den Speiseplan zusammen mit den Schülern der 6b vorbereitet und an die Zauberschüler-Saga angepasst. Dass Berti Botts seine Gelee-Bohnen in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen von Apfel bis Ohrenschmalz anbietet, wissen natürlich nur die Leser unter den Schülern. In der 6b sind das mittlerweile alle: Denn seit August 2007 nehmen die 19 Schüler am Leseturnier teil, das die Stiftung Lesen zum Thema Harry Potter ausgelobt hat.
Zusammen mit Lehrerin Silke Draheim haben sie unter anderem eine CD mit Potter-Liedern aufgenommen, einen Leseabend veranstaltet und einen „Briefeulenkalender“ gestaltet, erzählt der zwölfjährige Daniel, einer der Klassensprecher. In dieser Woche geht das Projekt in den Endspurt: Die Sechstklässler wollen ein Plakat über all ihre Potter-Aktionen entwerfen, mit dem sie sich um den ersten Preis, eine Fahrt nach London, bewerben, sagt der zehnjährige Paul.
Angesichts des Potter-Fiebers sind die Zahlen der aktuellen PISA-Studie kaum nachvollziehbar: 20 Prozent der 15-Jährigen können der Studie zufolge so schlecht lesen, dass sie an der Schwelle zum so genannten Sekundären Analphabetismus stehen. Für Heinrich Kreibich, den Geschäftsführer der Stiftung, die sich das Wecken von Lesefreude auf die Fahnen geschrieben hat, ist das ein fatales Zeichen: „Immer noch geht jeder fünfte Jugendliche in Deutschland leer aus, wenn es um die Verteilung einer entscheidenden Eintrittskarte in eine erfolgreiche berufliche und soziale Zukunft geht“, erklärte er.
Das ist auch Marion Mattekatt, der Leiterin der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam, klar: „Leseförderung ist unsere Berufung“, sagt sie. 220 Führungen mit insgesamt 10 000 Kindern habe es in diesem Jahr bereits gegeben. Die Angebote der Bibliothek beginnen aber nicht erst im Schulalter, erklärt Mattekat. So ist die Zusammenarbeit mit Kitas seit vier Jahren Schwerpunkt: Kinder ab drei Jahren können mit ihren Betreuern die Bibliothek besuchen und zum Beispiel „Bilderbuchkino“ gucken – eine Diashow mit Bilderbuchbildern. 2007 habe es bereits 115 Kita-Führungen allein in der Hauptbibliothek am Kanal gegeben. Auch in der Zweigbibliothek am Stern bewährt sich das Konzept: Zwei Drittel der Kinder, die mit der Schulklasse in die Bibliothek kommen, waren vorher schon einmal da, sagt Elke Borgmann, die Zweigbibliotheksleiterin. Hinzu kommen Angebote wie die „Bücherkisten“, themenbezogene Büchersammlungen, die zur Arbeit in der Klasse entliehen werden können, oder das „Literarische Frühstück“ für Schüler ab Klasse 8: Zum gemeinsamen Frühstück in der Bibliothek liest dann beispielsweise ein Autor. Auch Projekttage werden in Absprache mit den Lehrern von Mitarbeitern der Bibliothek unterstützt, erklärt Bibliotheksleiterin Mattekat.
Eine Woche lesen, lesen, lesen heißt es in der kommenden Woche in der Montessori-Oberschule. Fünf Tage lang sollen sich die Schüler mit dem Thema Buch beschäftigen, „damit sie sich auf die Bücher auch einlassen können“, sagte Corinna Spikermann. Die Lehrerin sieht viele Vorteile in der Aktion kurz vor Weihnachten, bei der die Kinder zur Ruhe finden sollen. Eltern und Großeltern werden anfangs vorlesen, danach sollen die Schüler sich selbst in die Lektüre vertiefen. „Ältere gehen in die Klassen und helfen den Jüngeren beim Lesen“, sagt die Lehrerin, Erstklässlern würden sie beim Lesenlernen helfen. Dabei geht es nicht allein ums Lesen. Wer nicht lesen will, soll sich zumindest mit dem Thema eines Buches beschäftigen. Zudem würden andere Wege versucht, die Kinder zum Lesen zu motivieren. Sei es durch das Malen eines Bildes oder das Schreiben einer eigenen Geschichte. In der Woche findet auch ein Bücherflohmarkt statt sowie ein weihnachtlicher Nachmittag mit einem Krippenspiel und echten Tieren. Die Erfahrungen mit der Lesewoche aus den vergangenen Jahren seien sehr gut, sagt Corinna Spikermann. Kinder würden die lustigsten Lesehaltungen einnehmen, verschiedene Genres lesen und mit konkreten Aufgaben die Woche abschließen.
Lese-Projekt
www.stiftunglesen.de
www.montessori-potsdam.de
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