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Landeshauptstadt: Spekulationen und Schreckgespenster

Studio Babelsberg soll erhalten bleiben – doch was die neuen Eigentümer planen, sorgt die Mitarbeiter

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Studio Babelsberg soll erhalten bleiben – doch was die neuen Eigentümer planen, sorgt die Mitarbeiter Von Sabine Schicketanz „Es geht weiter mit Babelsberg“, so haben gestern die neuen Eigentümer des traditionsreichen Potsdamer Filmstudios versichert. Ob die rund 240 Mitarbeiter ihren neuen Chefs jedoch Glauben schenken, scheint zumindest fraglich. Für einen symbolischen Euro hatte der französische Medienkonzern Vivendi am Dienstag das Studio überraschend an die Münchner Investorengruppe unter Führung von Christoph Fisser und Carl Woebcken verkauft. Vivendi übernimmt dabei 18 Millionen Euro Altschulden des chronisch defizitären Studios. Mit welchem Geschäftsmodell die neuen Besitzer antreten und vor allem, welche Motive sie zum Kauf des Traditionsstudios bewogen haben, darüber wird nun in Babelsberg heftig spekuliert. Erst am kommenden Mittwoch wollen die neuen Eigentümer dem jetzigen Management und dem Betriebsrat ihre genauen Pläne erläutern. Auch mit der Brandenburger Landesregierung sind Gespräche geplant. Nach PNN-Informationen sollen sich die neuen Eigentümer jedoch vertraglich verpflichtet haben, den Studiobetrieb aufrechtzuerhalten. Auch wollten sie in nächster Zeit keine personellen Veränderungen vornehmen. Dennoch: Die Unsicherheit in Babelsberg ist groß. „Außer dass wir verkauft sind wissen wir gar nichts“, sagte der Betriebsratsvorsitzende des Studios, Jan-Peter Schmarje. Man befürchte das Schlimmste: „Es gibt viele Fragen, auch, ab wann wir uns beim Arbeitsamt melden müssen.“ Vivendi wirft er zudem Vertrauensbruch vor. Noch vergangene Woche habe die Konzernspitze zusagt, dass der Betriebsrat in die Verkaufsverhandlungen einbezogen werde. „Dass in zwei Jahren die Insolvenz kommt und dann alle auf die Straße gesetzt werden, ohne Abfindung – das ist das Schreckgespenst, das jetzt im Studio umgeht“, sagte Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff, der bis 1998 Studio Babelsberg als Geschäftsführer leitete. Dass Vivendi der Investorengruppe den Zuschlag gegeben habe, sei eine rein finanzielle Entscheidung gewesen. Die beiden Mitbieter, die NDR-Tochter Studio Hamburg und das Babelsberg-Management um Thierry Potok, hatten von Vivendi eine teilweise wesentlich höhere Schuldenübernahme verlangt. Die neuen Babelsberg-Besitzer seien zwar nicht unbekannt in der Branche, jedoch stünden sie weder für Fernseh- noch für internationale Kinoproduktionen, so Schlöndorff. Fisser ist Geschäftsführer der Studio Atelierbetriebe Schwabing (SAS) und Mitbegründer der Münchner Lichterkette, einer Großdemonstration gegen Fremdenhass, für die er 1992 den „Bambi“ bekam; Woebcken war bis 2002 Finanzvorstand der Münchner Trickfilmfirma TV-Loonland AG. Er leitet heute die Berlin Animation Film GmbH (BAF), einen von der Dresdner Bank aufgelegten Filmfonds, der Zeichentrickfilme vermarktet und produziert. Nach PNN-Informationen soll BAF jedoch nicht am Studio-Kauf beteiligt sein. Spätestens im Herbst, wenn das abschließende Vertragswerk mit Vivendi unterschrieben sein soll, wolle sich Woebcken aus der BAF zurückziehen. Ob das jetzige Babelsberger Management im Amt bleibt, ist ungewiss. Studio-Chef Potok sagte gestern nur, dass eine Entscheidung Vivendis „unumgänglich“ gewesen sei. Doch für die künftige Ausrichtung des Studios scheint der Verbleib zumindest der Unternehmensspitze wegweisend: Potok und Produktionschef Henning Molfenter haben Babelsberg zum Durchbruch im internationalen Filmgeschäft verholfen. Nach dem Stalingrad-Film „Duell - Enemy at the Gates“, Roman Polanskis „Der Pianist“, der Millionen-Produktion „In 80 Tagen um die Welt“ mit Jackie Chan, dem Thriller „The Bourne Supremacy“ mit Matt Damon und „Beyond the Sea“ von Oscar-Preisträger Kevin Spacey hat Studio Babelsberg jüngst die Verträge für weitere Hollywood-Filme unterzeichnet: Im August beginnen die Drehs für „Mission Impossible 3“ mit Tom Cruise und „Aeon Flux“ mit Charlize Theron. „Für den Standort ist wichtig, dass hier eine langfristig tragfähige Lösung entsteht, die die Gesamtauslastung stärkt und vor allem auch die internationalen Filmproduktionen einschließt“, sagte die Geschäftsführerin des für Filmförderung und Marketing am Medienstandort Berlin-Brandenburg zuständigen Medienboards, Petra Müller. Ex-Geschäftsführer Schlöndorff sieht eine Chance für Babelsberg, „wenn die neuen Eigentümer mit dem Taschengeld von Vivendi zwei Jahre durchhalten und einen potenten Partner finden“. Dies müsse möglich sein, denn „die Investitionen sind gemacht und es gibt sehr viele gute Leute“. Die Ankündigung der neuen Besitzer, das Studio vor allem mit Fernsehproduktionen ausbauen zu wollen, trägt zur Besorgnis der Studio-Mitarbeiter bei. Denn der Fernsehmarkt sei heiß umkämpft, sagte Betriebsratschef Schmarje. Außerdem wird für TV-Serien und Talkshows weit weniger Personal gebraucht als für Hollywood-Filme. Eine McKinsey-Studie hatte der NDR-Tochter Studio Hamburg bereits vorgeschlagen, bei einer Konzentration Babelsbergs auf den Fernsehmarkt 130 Mitarbeiter zu entlassen.

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