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Weitgehend unbenutzt. Der umstrittene Spielplatz im Wohngebiet auf dem Gelände der früheren Ruinenbergkaserne ist von einem Zaun umgeben, ein Schild weist darauf hin, dass das Areal nicht öffentlich ist. Die Fronten vor Ort verhärten sich mehr und mehr.

©  A. Klaer

Nachbarschafts-Streit: Spiel, Platz, Krieg

Der Nachbarschaftsstreit um ein eingezäuntes Spielareal im neuen Wohngebiet Ruinenbergkaserne eskaliert

Stand:

Bornstedter Feld - Die Frage eines Vaters empört den älteren Mann immer noch. „Was willst du alter Kinderhasser?“ Der 67-jährige Herr ist einer der Mieter in der Kurt-von-Plettenberg-Straße, mitten im Wohngebiet Ruinenbergkaserne. Von seinem Balkon sieht er den mit einer Kletteranlage und mehr ausgestatteten Spielplatz, der in den vergangenen Wochen nach einem PNN-Bericht zu einem kleinen Politikum geworden ist – weil im Frühjahr um ihn ein Zaun hochgezogen worden ist und seitdem dort ein Schild prangt, dass nur Kinder aus den angrenzenden Häusern des Wohnungsunternehmens Semmelhaack dort spielen dürfen.

Das Problem: In den 160 Semmelhaack-Wohnungen leben nur eine Handvoll Kinder, aber viele ältere Paare und Singles. Der jetzt eingezäunte und abschließbare Spielplatz wird also – obwohl gut ausgestattet – kaum genutzt. Und das zum Ärger von anderen Eltern im Wohngebiet, die ihre Kinder dort gern spielen lassen würden. Inzwischen war bereits das ZDF vor Ort, ein Boulevardblatt verlieh den Titel „Spielplatz der Schande“.

Und der Konflikt vor Ort eskaliert zusehends. Der Mann, den einige Eltern seinen Ausführungen zufolge Kinderhasser oder auch Stasi-Genosse nannten, erzählt: „Bevor der Spielplatz eingezäunt wurde, waren dort manchmal 20 Erwachsene und Kinder – und sie haben provoziert, beleidigt und gedroht.“ Als zuletzt im Juni auf dem Spielplatz sogar eine Party gefeiert wurde, habe er eine Strafanzeige wegen Beleidigung erhalten – die er mit einer Anzeige wegen Nötigung konterte. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam bestätigte, dass nun ermittelt werde.

Die Stimmung in dem Neubau-Viertel ist jedenfalls aufgebracht, vielen fehlt für die älteren Anwohner jedes Verständnis. Eine Mieterin erzählt, das Kinderareal stehe den ganzen Tag unter der argwöhnischen Aufsicht seiner Gegner. „Wer nicht Semmelhaack-Mieter ist, wird beschimpft und es werden Beweisfotos von spielenden Kindern gemacht.“ Bei den PNN meldete sich auch eine Großmutter, deren Tochter am Spielplatz wohnt: „Wenige terrorisieren ein Wohngebiet, verschwenden Kraft und Zeit für ihre egoistischen Interessen und haben wohl vergessen, dass sie selbst einmal Kinder waren.“ Vor allem durch eine ältere Dame komme es ständig zu lautstarken verbalen Angriffen gegen Eltern und Kinder, die den Platz benutzen: „Zum Beispiel wurden die Eltern eines zweijährigen Mädchens wegen Ruhestörung in der Mittagszeit des Platzes verwiesen – obwohl das Kind völlig geräuschlos im Sand spielte und danach vor Angst anfing zu weinen.“

Zu den Gegnern des Spielplatzes gehört eine durchaus resolute Dame, früher bei der Justiz in West-Berlin beschäftigt. Seit einem Dreivierteljahr lebt sie am Spielplatz, der knapp fünf Meter von ihrer Wohnung im Erdgeschoss entfernt liegt. „Wir haben nichts gegen Kinder – ich habe selbst welche“, betont sie. Doch manchmal seien auf dem Spielplatz Kinder aus dem ganzen Wohngebiet samt Eltern erschienen, wegen der geringen Abstände sei das einfach zu laut. „Wenn wir das gewusst hätten, wären wir nicht hierhergezogen“, sagt die 64-jährige Rentnerin. Bei Beschwerden hätte sie zu hören bekommen: „Ziehen Sie doch in ein Altersheim.“ So haben sich die Nachbarn schließlich bei ihrem Vermieter Semmelhaack beschwert – schließlich habe die Firma eine ruhige Wohngegend versprochen.

Bei Semmelhaack verteidigt man den Zaun. „Wir mussten zum Schutze der berechtigten Interessen unserer Mieter reagieren“, sagte Semmelhaack-Sprecher Hartmut Thede. Denn einige Mieter hätten sich wegen erheblicher Lärmbelästigung beschwert und teilweise auch die Miete reduziert. Dem sei man nachgegangen und habe festgestellt, dass „eindeutig die Nutzungsintensität des Spielplatzes durch Kinder und Jugendliche, die nicht unseren Mietern zuzuordnen waren, die Hauptursache der Lärmbelästigung war.“ Den privaten und nun umzäunten Spielplatz habe man wie von der Bauordnung vorgeschrieben für die eigene Wohnanlage errichtet – ähnlich übrigens wie private Auto-Stellplätze. Zudem verwies Thede auf andere öffentliche Spielplätze in der Nähe – etwa am Volkspark.

Für die Potsdamer SPD ist das kein Argument, sie will eine aus ihrer Sicht bestehende Lücke in der Spielplatzsatzung schließen. In der Satzung ist vorgesehen, dass beim Bau von Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen auch ein Kinderspielplatz zu errichten ist. Nun soll ein neuer Satz die Regel präzisieren: „Spielplätze, die nach Maßgabe dieser Satzung errichtet wurden, sind öffentlich zugänglich.“ Doch dagegen hat die Stadtverwaltung rechtliche Bedenken geltend gemacht – demnächst will die SPD eine eigene juristische Einschätzung der Lage vorlegen. Für die älteren Anwohner ist dagegen klar: Sie bezahlen für den Spielplatz die Betriebskosten – also dürften ihn auch nur Mieter der Wohnanlage nutzen: „Wir gehen doch auch nicht auf Privatgrund.“

Doch es droht neuer Krach. Denn über den Spielplatz wird auch im sozialen Netzwerk „Facebook“ längst breit diskutiert. Ein Nutzer schrieb jetzt: „Ich hätte richtig Lust, da mal ein Kinderfest zu veranstalten, damit die wissen, dass Eltern und Kinder sich so was nicht gefallen lassen“.

HINTERGRUND

Damit Nachbarschaftskonflikte in Potsdam nicht eskalieren und irgendwann vor Gericht ausgetragen werden müssen, gibt es in Potsdam sogenannte Schiedspersonen, um bei der einvernehmlichen Lösung von Streitigkeiten zu helfen. Unter anderem sollen sie den künftigen Umgang miteinander wieder erträglich machen, verhärtete Fronten aufbrechen und einen Interessenausgleich finden. Daher erhalten sie ihr Mandat von beiden Parteien. Sie üben ihre Funktion ehrenamtlich aus, werden von der Stadtverordnetenversammlung gewählt und sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die unabhängigen und unparteiischen Schiedspersonen werden nur auf Antrag tätig. Die Mandanten müssen 25 bis 40 Euro Vorschuss auf die voraussichtlich anfallenden Gebühren und Auslagen einplanen. Weitere Informationen zu diesem Verfahren gibt es unter Tel.: (0331) 289 15 31 oder schiedsstellen@rathaus.potsdam.de.

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