Landeshauptstadt: Spielerische Selbstständigkeit in Mitteljütland
Kirchsteigfeld - Hektisches Treiben im Bürohaus am Eingang des Kirchsteigfeldes. Rucksäcke werden geschultert, Taschen schleifen über den Boden, der Fahrstuhl ist im Dauereinsatz.
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Kirchsteigfeld - Hektisches Treiben im Bürohaus am Eingang des Kirchsteigfeldes. Rucksäcke werden geschultert, Taschen schleifen über den Boden, der Fahrstuhl ist im Dauereinsatz. Wenn es auf Reisen geht, ist es bei einer Durchschnittsfamilie schon stressig genug. Noch ein wenig komplizierter wird es, wenn Rollstuhlfahrer die Sommerferien auswärts genießen wollen. „Allein die Suche nach geeigneten Unterkünften gestaltet sich nicht einfach“, so Tina Mäueler, Heilerziehungspflegerin bei der brandenburgischen Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus (ASbH) und Organisatorin der alljährlichen Sommerreise. Doch seitdem man vor drei Jahren das dänische Urlauberdorf Greena in Mitteljütland gefunden hatte, war das Ferienparadies für die seit der Geburt querschnittsgelähmten und teilweise an einer, im Volksmund als Wasserkopf bezeichneten, Störung des Gehirnwasserkreislaufs leidenden Jugendlichen gefunden. Am Samstag hieß es kurz nach sieben Uhr Abreise für 34 Nordland-Touristen. In Europas größtem behindertengerechten Bus trat man die 14-tägige Fahrt an: 24 Behinderte im Alter von 14 bis Ende 20, davon allein 20 im Rollstuhl und zehn Betreuer. „Normalerweise kostet der außergewöhnliche Bus 5000 Euro, doch dankenswerterweise hat uns die Eberswalder Johanniter-Unfallhilfe das Gefährt zum Freundschaftspreis ausgeliehen“, freute sich Tina Mäueler. Überhaupt wird die gesamte Reise fast ausschließlich von den Teilnehmern selbst getragen, die Gesamtkosten belaufen sich dabei auf rund 30000 Euro. Doch nicht nur, um den Preis zu drücken, wird auf der Reise selbst gekocht. „Wir wollen die Jugendlichen während der zwei Wochen auch zu mehr Selbstständigkeit bringen“, erklärt Mäueler. Nicht mittels akribischer Trainingseinheiten, sondern spielerisch, schließlich ist es eine Ferienreise. So gebe es Mobilitätstrainings, gemeinsames Kochen und verschiedene Sportmöglichkeiten im Angebot. Außerdem – schließlich sind es Jugendliche, die auf Reisen sind – Discobesuche und ein Ausflug in einen Freizeitpark. Unter Garantie mit gemeinsamer Achterbahnfahrt! „In Dänemark gibt es zwar nicht so viele abgesenkte Bordsteine wie in Deutschland, dafür sind die Dänen weitaus unkomplizierter im Umgang mit Rollstuhlfahrern“, weiß Tina Mäueler und kürzt es auf den griffigen Satz ab: „In Deutschland sind die Barrieren nicht auf den Straßen, sondern noch häufig in den Köpfen“. Beim nördlichen Nachbarn hingegen greifen genug Hände schnell zu, damit die Jugendlichen in die Achterbahnwaggons kommen, da wird als Bonus schnell noch eine Runde gedreht. „Und keiner der Dänen in der Warteschlange meckert oder regt sich auf“, betonte die Heilerziehungspflegerin. Kay Grimmer
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