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Landeshauptstadt: Spott für die Preußenresidenz
Vor 185 Jahren wohnte Heinrich Heine in Potsdam. Stadtführerin Gabriele Farion wandelte auf seinen Spuren
Stand:
Nur ein paar Monate war er hier. Ein wenig Ruhe wollte er wohl finden, eine schöpferische Ruhe, um am dritten Teil seiner „Reisebilder“ zu schreiben. Doch es wurde keine fröhliche Zeit. Heinrich Heine hatte während seines dreimonatigen Aufenthalts in Potsdam im Jahre 1829 anscheinend nicht viele Freuden. Er habe „bloß dort geweint“, wird Heine wenig später einer von ihm verehrten Dame schreiben.
An diesem winterlichen Samstag, 185 Jahre nachdem der Dichter in Potsdam logierte, macht sich ein kleiner Trupp Interessierter auf, um gemeinsam mit Gabriele Fairon vom Stadtführerverein „Potsdam im Team“ auf Heines Spuren zu wandeln. Gleich zu Beginn der Führung, noch in Sichtweite des gerade wiedergewonnenen Stadtschlosses, gibt die Stadtführerin Nachdenkliches von Heine zum Besten, eine Beschreibung Potsdams, angefüllt mit einer gehörigen Portion Spott: „Durch seine öden Straßen wandern wir wie durch die hinterlassenen Schriftwerke des Philosophen von Sanssouci, es gehört zu dessen ouvre posthumes, und obgleich es jetzt nur steinerne Makulatur ist und des Lächerlichen genug enthält, so betrachten wir es doch mit ernstem Interesse und unterdrücken hier und da eine aufsteigende Lachlust.“ Mit Bedacht bringe sie dieses Zitat von der steinernen Makulatur ihren Gästen immer genau an Potsdams wiederauferstehender Mitte nahe, sagt Fairon und verweist auf diverse Leitbauten, die mit historischer Fassade und modernem Inneren wiederentstehen sollen.
Und dann führt Fairon ihre Gäste dorthin, wo Heine noch immer im Stadtbild – allerdings kaum beachtet – sichtbar ist. In der Friedrich-Ebert-Straße 121, in unmittelbarer Nähe des letzten noch verbliebenen Hauses der einstigen „Acht-Ecken- Kreuzung“, erinnert eine Tafel an der Hauswand daran, dass Heine von April bis Juli 1829 hier, in der früheren Hohewegstraße 11, Quartier nahm. Die originalen Räumlichkeiten, die der Dichter einst bewohnte, sind indes nicht mehr vorhanden, da das barocke Bürgerhaus nach seiner Zerstörung im Krieg hinter der historischen Fassade neu aufgebaut wurde, wie Fairon berichtet.
Viele Spuren hat Heine während seiner kurzen Zeit in Potsdam freilich nicht hinterlassen. Nur einige, im Grunde wenig schmeichelhafte Zitate des Freigeists über die preußische Garnisonstadt, in der er nichts „als Himmel und Soldaten“ gesehen haben will, sind der Nachwelt erhalten. Über den Schlosspark Friedrichs II. notierte der Dichter im Mai 1829: „Vorgestern war ich in Sanssouci, wo alles glüht und blüht, aber wie! Du heiliger Gott! Das ist alles nur ein gewärmter, grünangestrichener Winter, und auf den Terrassen stehen Fichtenstämmchen, die sich in Orangenbäume maskiert haben.“
Ja, auch auf den großen Preußenkönig war Heine nicht gut zu sprechen. Fairon, die mit der von ihr geführten Gruppe inzwischen an der Großen Stadtschule in der Friedrich-Ebert-Straße angekommen ist, bringt ihren Zuhörern hier ein paar Sätze Heines nahe, in denen der Dichter gleich kübelweise Spott über Friedrich II. ausgoss: „Glauben Sie beileibe nicht, dass ich den Ruhm Friedrichs des Großen zu schmälern suche. Ich kenne sogar seine Verdienste um die deutsche Poesie Hat er nicht, um die deutsche Literatur zu fördern, seine eigenen schlechten Gedichte in französischer Sprache geschrieben Die deutsche Muse wird ihm diesen Dienst nie vergessen.“
Und auch im Neuen Garten, wo Fairon ihre „Potsdam ein Wintermärchen“ überschriebene Führung enden lässt, darf der große Literat noch einmal durch den Mund der Gästeführerin spötteln: „Gestern Abend im Neuen Garten geriet ich sogar in eine Damengesellschaft und saß zwischen einigen dicken Potsdamerinnen wie Apoll unter den Kühen des Admet.“ Ja, recht machen konnte man es Heine offenbar nur schwer. Warum er aber in Potsdam sogar viel geweint hat, wie er Charlotte Stieglitz, der Frau des Lyrikers Heinrich Stieglitz, schrieb, weiß an diesem Samstag auch Fairon nicht so genau zu sagen. Vielleicht war es die erfolglose Stellensuche oder der Tod seines Vaters im Dezember 1828, die Heine derart zusetzten.
Der Gästeführerverein „Potsdam im Team“ bietet hauptsächlich thematische Stadtführungen an – sowohl zu Fuß, aber auch mit dem Fahrrad. So geht es am 8. Februar durch die Nauener Vorstadt, am 14. Februar gibt es eine Führung durch die Bertinistraße und zum Frauentag am 8. März soll an bedeutende Potsdamerinnen erinnert werden.
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