Homepage: Spuren jüdischen Lebens sichern
Universität Potsdam katalogisiert jüdische Friedhöfe in Brandenburg
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Der jüdische Tabakhändler Hugo Meinhard war der letzte, der auf dem jüdischen Friedhof von Schwedt beerdigt wurde. 1942, als die meisten Juden von den Nazis bereits deportiert waren, sei der eines natürlichen Todes gestorbene Mann von einem evangelischen Pfarrer in aller Stille beigesetzt worden, erzählt Karin Herms vom Schwedter Stadtmuseum. Dies solle Berichten zufolge nach jüdischem Brauch geschehen sein. Die Beerdigung sei ein Akt des Mutes und der Zivilcourage gewesen, sagt Herms.
Die Geschichte von Meinhard ist nur eine von vielen der ehemaligen Jüdischen Gemeinde in Schwedt. Überlebende des Holocaust und Nachkommen der damaligen Mitglieder sind heute in alle Welt verstreut. Seit zehn Jahren sucht das Stadtmuseum nach ihnen.
Professionelle Hilfe erhalten die Schwedter Forscher dabei von der Universität Potsdam. Wissenschaftler des Zentrums für jüdische Studien der Universität sind gemeinsam mit Kollegen auf den noch bestehenden jüdischen Friedhöfen in Brandenburg unterwegs, um die Grabsteine zu fotografieren, sie zu katalogisieren und für eine Darstellung im Internet vorzubereiten. „Damit wollen wir die Grundlage für eine effektive Forschung über das Leben der Juden in Brandenburg schaffen, bis hin zur Familienforschung“, sagt die Berliner Wissenschaftlerin Brigitte Heidenhain, die das Projekt unterstützt. Die teils vom Verfall bedrohten Friedhöfe seien oftmals das einzige noch erhaltene Zeugnis jüdischen Lebens im Land. „Es wird Zeit, die von ihnen ausgehenden Spuren zu sichern“, sagt Heidenhain. Mit der Darstellung im Internet seien die Forschungsergebnisse erstmals weltweit abrufbar. „Eine breitere Öffentlichkeit hätten wir nicht erreichen können“, sagt die Forscherin. Die Informationen über den jüdischen Friedhof in Wriezen im Oderbruch sind bereits im Netz. Auf dem Schwedter Friedhof haben die Wissenschaftler nun mit der Sicherung und Erfassung der Informationen begonnen, die die Grabsteine hergeben.
Für die Museologen kommt diese Hilfe zur rechten Zeit. „Viele Grabsteine sind vom Verfall bedroht“, sagt Herms. „Jetzt können wir die Daten bewahren und unsere Forschungen fortsetzen.“ Und diese führen von den Inschriften der Grabsteine in alle Welt. Zwei Familien, deren Namen auf Grabsteinen in Schwedt zu finden sind, hätten sich beispielsweise gegenseitig bei der Emigration nach Australien geholfen. Nachkommen anderer Schwedter Juden lebten in Großbritannien oder Kanada. In Schwedt selbst gibt es heute keine Jüdische Gemeinde mehr. Heidenhain versteht gerade das als Verpflichtung für deutsche Historiker, sich mit der jüdischen Geschichte auseinanderzusetzen. „Es sind ja keine jüdischen Nachfahren da, die das tun könnten“, sagt sie.Juliane Sommer
Juliane Sommer
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