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Landeshauptstadt: Spurensucher

Junge Leute forschen zu Ostkunst in Potsdam – eins von drei „Zeitensprünge“-Projekten in der Stadt

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Einige Fundstücke ihrer Suche scheinen ein wenig obskur. Weiblich, unbekleidet, Kunstfiguren aus Metall. Und einmal fanden die Jugendlichen auch in Stein gehauene, abstrakte Erinnerungen an Menschen wie Rosa Luxemburg oder Karl Liebknecht. Einmal in der Woche trifft sich die Gruppe im S13-Jugendclub des Spartacus in der Schlossstrasse. Ihr Ziel ist es, solche Kunstobjekte in der Stadt zu finden und zu fotografieren, die in DDR-Zeiten entstanden sind: Wie die nackten Frauen-Skulpturen, die auf der Freundschaftsinsel stehen. Oder die zwei Mosaikmauern hinter dem Lustgarten, an denen sich groß und verfremdet die Gesichter von frühen Ikonen der kommunistischen Bewegung befinden. Mit den Fotografien von solchen Orten wollen die Jugendlichen einen Kalender gestalten, der auch Informationen zu Künstlern und zur Entstehungsgeschichte der Kunstobjekte enthalten soll. Offenbar keine einfache Aufgabe. Zumindest eine aus der Gruppe, sie heißt Joana, bekennt: „Ich wusste vorher rein gar nichts über Ostkunst.“

Dass sich die 18-Jährige und sechs andere junge Leute mit dem künstlerischen Teil Potsdamer DDR-Geschichte beschäftigen, liegt an dem ostdeutschen Jugendprogramm „Zeitensprünge“. Ins Leben gerufen hat es 2004 die Berliner Stiftung Demokratische Jugend, in Brandenburg übernimmt die Organisation der Landesjugendring in Person der Sozialpädagogin Sandra Brenner. Es soll Initiativen von Jungen und Mädchen anregen, die Geschichte ihrer Region zu erforschen, vor allem während der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR-Diktatur. Mitfinancier ist das Brandenburger Bildungsministerium, das dieses Jahr 33 solcher Projekte fördert – drei davon in Potsdam.

Aus dem allgemeinen Rahmen fällt ein Projekt des Diakonischen Werks. Dabei forschen Potsdamer Jugendliche zur Geschichte der Potsdamer Hausbesetzerszene und wollen daraus einen Stadtführer entstehen lassen. Der Mädchentreff „Zimtzicken“ beschäftigt sich dagegen mit dem Alltag von jungen Frauen im Militärwaisenhaus in der Breiten Straße, als dieses vor Jahrzehnten auch als Waisenhaus für Mädchen genutzt wurde. Um sich intensiv mit solchen Fragen auseinandersetzen zu können, bekommen ausgewählte Projekte ein Startkapital von 1100 Euro. „Besonders beeindruckend ist es auf dem flachen Land, wenn sich dort junge Leute zum ersten Mal wirklich mit der Naziherrschaft in ihrer Region befassen“, sagt Projektleiterin Brenner.

Solche Aha-Erlebnisse hatte die Jugendgruppe im Spartacus nach eigenem Bekunden „noch nicht“. Interessant sei aber gewesen, bereits erste Details zur Geschichte der Mauerreste hinter dem Lustgarten herauszufinden. „Dies sind wohl Reste des früheren Ernst-Thälmann-Stadions“, so der 20-jährige Thomas. Solche Erkenntnisse wollen sie bis Ende Oktober vertiefen. „Wenn möglich möchten wir mit den Künstlern sprechen, warum und wie sie ihre Werke geschaffen haben“, sagt Joana. Seitdem sie an den „Zeitensprüngen“ teilnehme, würde sie beispielsweise am Platz der Einheit Dinge wie einen hängenden Stahlfisch nun erst richtig bemerken: „Früher habe ich so etwas nicht bewusst gesehen.“ Henri Kramer

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