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Landeshauptstadt: Staatsanwaltschaft klagt Tramfahrer an

Unfall mit Tatra-Bahn im Sommer: Ermittlungen beendet / ViP lehnt Kostenübernahme der Mutter ab

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Die Staatsanwaltschaft hat entschieden: Ein Straßenbahnfahrer des Potsdamer Verkehrsbetriebs (ViP) muss sich nach Willen der bislang ermittelnden Behörde vor Gericht verantworten, weil er möglicherweise den Tod eines Jugendlichen verschuldet hat. Entsprechende Informationen bestätigte gestern unter anderem ein Anwalt der Nebenklage auf Nachfrage. „Damit zeigt sich, dass die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht besitzt“, sagte Jörn Lassan, Rechtsanwalt der Mutter des Opfers. Ein Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft wollte die Entscheidung noch nicht bestätigen – auch weil das zuständige Amtsgericht Potsdam noch nicht den offiziellen Verfahrensweg abgeschlossen hat und die Anklage noch zulassen muss. So ist unklar, wann der anstehende Prozess genau beginnen wird.

Der Fall hatte sich in der Nacht zum 14. Juli vergangenen Jahres ereignet: Der damals gerade 17 Jahre alte und zu diesem Zeitpunkt stark angetrunkene Marc-Philipp G. war nach einem großen Volksfest am Bornstedter Feld mit Freunden in Richtung Innenstadt unterwegs. Bei der Haltestelle „Campus Pappelallee“ nahm das Verhängnis offenbar seinen Lauf: Laut Zeugen soll Marc-Philipp nach dem Einsteigen in die hintere Tür des ersten Tramwagens abgerutscht und aus der Bahn gefallen sein – während die Tatra mit offener Tür fuhr. Nach dem Sturz könnte der Junge, da sich an der Unfallstelle eine Böschung befindet, in Richtung Schienen gerollt und dann vom zweiten Wagen erfasst worden sein. Er starb noch am Unfallort an seinen schweren Verletzungen.

Neben den Aussagen der Zeugen soll den angeklagten Tram-Fahrer auch ein Gutachten der Prüfstelle Dekra belasten, laut dem es nach PNN-Informationen möglich scheint, dass die Sicherheitsautomatik der Unglückstür ausgeschaltet war – und die Bahn losfahren konnte, obwohl die Tür offen stand. Dies könnte auf Fahrlässigkeit deuten.

Tötet ein Mensch fahrlässig, droht eine Geldstrafe oder eine Haftstrafe bis zu fünf Jahren. Die Höhe der Strafe richtet sich danach, ob der Angeklagte etwa grob leichtfertig handelte – oder ob er den Unfall nicht ahnen konnte. Unter Rechtsexperten gelten Gefängnisstrafen bei Fahrlässigkeit – selbst mit Todesfolge – als selten. Der Verteidiger des Tram-Fahrers, Karsten Beckmann, wollte gestern noch nichts zu der Anklage sagen, weil sie noch nicht zugestellt sei.

Jenseits der möglichen Schuld des Fahrers hatte der Fall auch den ViP selber unter Druck gesetzt – wegen möglicher Ansprüche der arbeitslosen Mutter von Marc-Philipp auf Schadensersatz oder die Deckung von Kosten für die Beerdigung des Sohnes. Ihr Anwalt Jörn Lassan sagte gestern: „Der ViP hat bislang die Regulierung von Schadensersatzansprüchen stets abgelehnt, vielleicht ändert sich dies mit der Anklageerhebung.“ Die Reaktion des ViP auf solche Forderungen klang ablehnend. „Uns liegen nach wie vor keine Erkenntnisse über menschliches oder technisches Versagen seitens des Mitarbeiters oder des Unternehmens ViP vor – über eine eventuelle Schuld entscheidet das Gericht und nicht die Staatsanwaltschaft“, so ViP-Sprecher Stefan Klotz gegenüber den PNN.

Noch Anfang März hatte ViP-Chef Martin Weis in einer Kondolenzkarte angebotene „Hilfe“ für die Mutter nicht ausschließen wollen – allerdings in Hinblick auf Klagedrohungen einen „vernünftigen Umgang“ miteinander angemahnt. Jedoch, so Weis damals, sei die „theoretische“ Übernahme von Kosten ausdrücklich nicht als Eingeständnis einer Schuld zu werten.

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