zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Staatsvertrag und Bauverein

Die Jüdische Gemeinde Potsdam feierte gestern ihr fünfjähriges Jubiläum und das Erreichte

Stand:

Judentum und Christentum gehen in Potsdam Hand in Hand – zumindest, was die Feste betrifft: Ihr fünfjähriges Bestehen feierte die jüdische Gemeinde gestern Abend im Bürgerhaus am Schlaatz gemeinsam mit dem deutsch-russischen Länderkreis. Der hatte die russischen Einwanderer zum Jolkafest eingeladen, zum russischen Pendant zur deutschen Weihnachtsfeier. Väterchen Frost statt Weihnachtsmann.

Das Jolkafest im Bürgerhaus sei für viele Zuwanderer schon Tradition, so der Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde, Michael Tkach. Darum habe man beide Feiern einfach zusammen gelegt. Denn fast alle Potsdamer Juden kommen aus der ehemaligen Sowjetunion. Ihre Religion konnten sie dort allerdings nicht ausüben, so Rabbiner Nachum Presman: „Die jüdische Religion war in der Sowjetunion verboten.“ Deshalb seien viele mit den jüdischen Sitten und Gebräuchen noch nicht vertraut. Presman will sie den neuen Zuwanderern nahe bringen. Die religiöse Arbeit mache derzeit gut 50 Prozent der Gemeindearbeit aus, so Tatjana Frenk, Projektleiterin in der Gemeinde. Der Rest sei vor allem Sozialarbeit. Die vielen älteren Mitglieder benötigten oft Hilfe im noch fremden deutschen Alltagsleben.

Eine jüdische Gemeinde gebe es schon seit 1990 in Potsdam, so Mikhail Shvarts, der Vorsitzende. Gegründet als erste und einzige jüdische Gemeinde und Landesverband für ganz Brandenburg – nachdem die Behörden die jüdische Gemeinde 1949 aus dem Vereinsregister gestrichen hatten. Erst im Jahr 2000 gründeten sich in insgesamt sieben Städten Gemeinden als Vereine – auch in Cottbus, Oranienburg, Königs Wusterhausen und eben in Potsdam. Die neue Potsdamer Gemeinde hatte damals rund 200 Mitglieder, so Tkach. Nur ein Jahr nach der Neugründung dann gleich der erste Schock: Ein Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in der Alleestraße versetzte die jüdischen Einwohner im Januar 2001 in Angst und Schrecken, so Rabbiner Presman. Stadt und Polizei hätten aber sehr gut reagiert. Und seit dem sei „alles ruhig“. Auch gebe es in Potsdam „keinen Antisemitismus auf der Straße“, findet Presman. Er und seine Gemeindemitglieder fühlten sich hier „sehr wohl“. Über 363 Mitglieder zählt die Gemeinde heute. „Nach der Halacha“, betont der Vorsitzende Shvarts. Nach dem jüdischen Gesetz sind nur jene Juden, die eine jüdische Mutter haben. Doch schon allein mit den Familienangehörigen seiner Mitglieder lebten in Potsdam über 1000 Menschen, die Teil der Glaubensgemeinschaft sind, so Shvarts. In den vergangenen fünf Jahren sei aber nicht nur die Mitgliederzahl gestiegen: Shvarts, der auch Vorsitzender des Landesverbandes ist, freue sich besonders, dass er in diesem Jahr den Staatsvertrag unterschreiben konnte. Der Vertrag hält unter anderem den Schutz der jüdischen Feiertage fest und das Recht Horte und Schulen zu betreiben. Vor allem aber sichert er den sieben Gemeinden Brandenburgs 200 000 Euro Landesmittel für ihre Arbeit zu. Zuvor zahlten nur die Städte.

Stolz sei die Potsdamer Gemeinde auch auf die eigene Zeitung „Alef“, die einmal pro Monat in einer Auflage von knapp 400 Exemplaren in russischer Sprache erscheint. Zudem werde der Verein ab 2006 Projektträger für Ein-Euro-Jobs sein. Zwei Projekte seien laut Projektleiterin Frenk bereits geplant. Sie selbst wird das Projekt 58 Plus betreuen: Die Jobber sollen in der Gemeinde-Bibliothek helfen oder bei kulturellen Veranstaltungen. Denn die Gemeinde sei nicht nur religiöses, sondern auch kulturelles Zentrum für Potsdams Juden, so Frenk. Die Räume in der Schloßstraße 1 beherbergen neben der Bibliothek auch ein Musikzimmer, in dem Kinder traditionelle Instrumente spielen und tanzen lernen. Und die weiblichen Mitglieder der Gemeinde könnten sich hier im Frauenclub treffen – für Gespräche und zum „Austausch jüdischer Kochrezepte“, erklärt Frenk.

Und bald, so hoffen alle in der Gemeinde, sollen sich die Mitglieder an gleicher Stelle statt im Plattenbau im „neuen jüdischen Zentrum“ treffen können. Der Bauverein „Neue Synagoge Potsdam“ wurde im März 2005 gegründet, um Spenden für den über drei Millionen Euro teuren Neubau zu sammeln. In diesem Jahr hat der Verein den Raum, der bis dahin als Synagoge dient, zumindest neu einrichten können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })