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Homepage: „Stabile Beziehungen sind ein Schutzfaktor“

Prof. Hermann Staats von der Fachhochschule Potsdam über psychische Probleme, die Rolle der Partnerschaft und Therapieerfolge

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Zur Förderung psychoanalytischer Forschung findet vom 7. bis 9. September an der Fachhochschule Potsdam die diesjährige Summer-School der Deutschen Psychoanalytische Gesellschaft statt. Experten aus Zürich, Innsbruck, Saarbrücken und Potsdam zeigen an eigenen Projekten die Vielfalt psychoanalytischer Forschungsmethoden und diskutieren geeignete Vorgehensweisen. Die PNN sprachen mit Prof. Hermann Staats von der FH Potsdam.

Herr Staats, welche psychischen Probleme sind heute bei uns am häufigsten anzutreffen?

Psychische Probleme sind nicht mit Diagnosen gleichzusetzen. In Befragungen von Patienten nach Problemen, unter denen sie leiden, werden in einem hohen Prozentsatz interpersonelle Schwierigkeiten , also Probleme in Beziehungen zu anderen Menschen angegeben. Sichere und stabile Beziehungen sind dagegen ein Schutzfaktor gegenüber anderen Belastungen. Werden als Probleme Symptome angegeben, so sind dies am häufigsten Ängste oder Beschwerden im Sinne einer Depression. Sie stehen in der Regel im Zusammenhang mit Belastungen in Beziehungen. Die hohe Bedeutung interpersoneller Beziehungen und der mit ihnen verbundenen Konflikte für Gesundheit und Krankheit wird durch Untersuchungen zu Problemen und Zielen von Patienten und zu deren Veränderung im Verlauf von psychoanalytisch orientierten Therapien bestätigt.

Welche Ursachen sind der Forschung bekannt?

Die Wechselwirkungen von genetischer Veranlagung und den Bedingungen des Aufwachsens werden zunehmend besser verstanden. Neurowissenschaftliche Forschungen bestätigen die hohe Bedeutung des individuellen Erlebens: ein Ereignis kann von unterschiedlichen Menschen sehr unterschiedlich bewertet werden und damit auch individuell unterschiedliche Folgen haben. Diese individuell unterschiedliche Wechselwirkung ersetzt das bisherige Verständnis eines Entscheidens zwischen „Natur“ und „Umwelt“, – Genetik und Erziehung. Hier entwickelt sich eine gegenseitige Ergänzung der in der klinischen Arbeit gefundenen psychoanalytischen Konzepte – etwa der großen Bedeutung einer nicht bewussten, „unbewussten“ Verarbeitung von Informationen – mit aktuellen Ergebnissen neurowissenschaftlicher Forschung.

Welche Rolle spielt die Gesellschaft?

Individuelle Konflikte und individuelles Leiden stehen in einem engen Zusammenhang mit gesellschaftlichen Normen und Werten. So werden beispielsweise Familien und Partnerschaften häufig mit Anforderungen belastet, die sie nicht allein auffangen können – auch wenn der Einzelne dies vom Partner erwartet. Hier kommt es darauf an, das Problem als eine gemeinsame Aufgabe zu begreifen, und sich um Veränderungen der sozialen Situation – individuell für sich und auch politisch – zu engagieren. Dies gilt besonders für den Bereich der Bildung und Erziehung in der Kindheit. Gesellschaftliche Veränderungen bieten Chancen und Risiken. So trägt beispielsweise die zunehmende Mobilität in der Bevölkerung dazu bei, dass Beziehungen freier gestaltbar, aber auch weniger verbindlich und weniger sicher werden. Dies ist ein Faktor, der mit der beobachteten Zunahme von Angsterkrankungen in einem Zusammenhang steht.

Welche Therapieformen sind heute am ehesten erfolgversprechend?

Aus wissenschaftlicher Sicht sind sowohl psychoanalytisch orientierte als auch verhaltenstherapeutische Verfahren in ihrer Wirksamkeit gut gesichert. Auch für andere Verfahren, etwa die Gesprächspsychotherapie nach Rogers, gilt dies mit Einschränkungen. Psychotherapeutische „Schulen“ lernen voneinander. Die Frage, welches Verfahren für wen besonders gut geeignet ist, muss individuell entschieden werden. Sie hängt auch von dem Zusammenpassen von Therapeut und Patient ab – wiederum ein Aspekt, der auf die hohe Bedeutung von Beziehungen für Gesundheit und Krankheit, aber auch für Gesundung und den Erfolg einer Psychotherapie hinweist.

Sie erforschen auch die Dauerhaftigkeit der Erfolge psychoanalytischer Therapien. Was lässt sich hier sagen?

Vor allem für die längeren psychoanalytischen Therapien liegen inzwischen Studien vor, in denen Patienten über viele Jahre nach Abschluss ihrer Behandlung nachuntersucht wurden. Hier finden sich – wie theoretisch erwartet – weitere Verbesserungen des Leidensdrucks und der Beschwerden auch nach Abschluss einer Behandlung. Ehemalige Patienten nehmen die verbesserten Möglichkeiten der Gestaltung von Beziehungen und der Bewältigung von Konflikten mit und setzen diese selbständig und mit Gewinn nach Abschluss ihrer Behandlung weiter um. Die Ergebnisse sind daher in vielen Untersuchungen nicht nur stabil, sondern Jahre nach Abschluss einer Therapie besser als zum Zeitpunkt des Therapieendes.

Auf der Tagung wird auch gefragt, was den guten Forscher, was den guten Analytiker ausmacht.

Die unterschiedlichen Kompetenzen sind nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen. Therapeutischer Erfolg ist nur teilweise über die Anwendung wissenschaftlich begründeter Verfahren erklärbar. Andererseits: Der Zweifel an dem was „klar“ scheint – Begleiter eines guten Forschers – kann auch für die Behandlung von Patienten eine günstige Voraussetzung sein. Und das Training einer – wissenschaftlich notwendigen – exakten Beobachtung von Phänomenen ist eine Grundlage auch für gute klinische Arbeit.

Sie beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Forschung und Therapie. Ihr Fazit?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten! Psychotherapie geht – ebenso wie Erziehung – nicht in der Anwendung wissenschaftlichen Wissens auf. Sie ist auch eine „Beziehungskunst“. In den letzten Jahren sind allerdings mehr und mehr Verfahren entwickelt worden, die anspruchsvolle und komplizierte, für die Praxis wichtige Untersuchungen ermöglichen. Wissenschaft bestätigt hier nicht nur eine erwartete Wirksamkeit von Behandlungen. Sie trägt inzwischen auch dazu bei, Faktoren herauszuarbeiten, die für den Erfolg einer Behandlung wichtig sind. Diese Ergebnisse von Untersuchungen zum Verlauf psychotherapeutischer Behandlungen sind für praktisch arbeitende Therapeuten von hoher Bedeutung. Die Anwendbarkeit dieser Forschungsergebnisse trägt dazu bei, eine früher beschriebene Kluft zwischen Forschung und Therapie zu verringern. Therapeuten finden diese Ergebnisse hilfreich und sinnvoll. Damit beteiligen sich zunehmend in der Praxis tätige Therapeuten an wissenschaftlichen Untersuchungen. Dies weiter zu fördern ist ein Ziel der wissenschaftlichen Summer School der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft.

Fragen von Jan Kixmüller

Hermann Staats ist seit April 2006

Professor für psychoanalytisch orientierte Entwicklungspsychologie an der FH Potsdam. Die Professur wird von einer Hamburger Stiftung finanziert.

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