Von Guido Berg: „Stabile Verhältnisse“
„Mehrheit ohne die Linken“ per Kooperationsvereinbarung bürgerlicher Fraktionen angestrebt
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Die Wahl von Peter Schüler zum Vorsitzenden der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung war nicht nur einfach „verabredet“, wie der Bündnisgrüne gestern sagte. Die Entscheidung war vielmehr erster kräftiger Ausdruck einer sich bildenden großen bürgerlichen Stadtkoalition: Die Fraktionen von SPD, CDU/Aktionsbündnis Nord-West (ANW), Bündnis90/Die Grünen und FDP/Familienpartei führen Gespräche über eine Kooperationsvereinbarung, „um stabile Verhältnisse in der Stadtverordnetenversammlung zu erreichen“, wie es in einer von der Potsdamer SPD verbreiteten „Gemeinsamen Erklärung“ heißt. In dieser Woche würden die Parteien und Gruppierungen in ihren Kreisvorständen den gemeinsam erarbeiteten Entwurf für eine Kooperationsvereinbarung diskutieren.
Die Linksfraktion solle nicht ausgegrenzt werden, aber „eine Mehrheit ohne die Linken“ sei notwendig, „um politisch handlungsfähig zu sein“ und in den nächsten sechs Jahren „stabile Verhältnisse in Potsdam“ zu haben, erklärte gestern CDU-Fraktionschef Michael Schröder den PNN. Dieses Ziel werde durch die 33 Stimmen aus dem neuen Bündnis der Bürgerlichen erreicht. Sollte es innerhalb dieser kooperierenden Fraktionen zu Meinungsverschiedenheiten geben, würden diese „in einer Art Koalitionsausschuss“ diskutiert, erklärte Schröder weiter.
Kommt die Vereinbarung der bürgerlichen Fraktionen zustande, wäre es die erste koalitionsähnliche Zusammenarbeit von Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung nach 1990. Bisher war lediglich im Abstimmungsverhalten eine so genannte „Stadtschlossfraktion“ der sich als bürgerlich einordnenden Parteien auszumachen. Allerdings fand der Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan des Landtagsschlosses in der zurückliegenden Legislaturperiode zwei Mal keine Mehrheit. Der für den Landtagsbau notwendige Beschluss passierte das Stadtparlament erst im dritten Anlauf, nachdem der mitgliederstärksten Linksfraktion Millionen-Zusagen hinsichtlich ihrer Forderung nach einer verstärkten Schulsanierung gemacht wurden.
Im nun um sechs Stadtverordnete angewachsenen Stadtparlament – 56 Stimmen plus Stimme des Oberbürgermeisters – ist die Linke mit 17 Mandaten zwar immer noch stärkste Kraft, hat aber ihre Fähigkeit eingebüßt, selbst Mehrheiten zu organisieren. Augenscheinlich wurde dies am Montagabend, als die bisherige Stadtpräsidentin Birgit Müller nur 24 Stimmen errang, ihr Herausforderer Peter Schüler aber 29. Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg hatte darauf moniert anderswo sei es „selbstverständlich“, dass die stärkste Fraktion den Parlamentsvorsitzenden stellt (PNN berichteten). Diesbezüglich erinnerte gestern SPD–Fraktionschef Mike Schubert an die Kommunalwahl 1998, als die damalige PDS Birgit Müller gegen Helmut Pryzibilski von der SPD durchsetzte, obwohl die SPD seiner Zeit mit 39,3 Prozent deutlich stärkste Kraft in der Stadtverordnetenversammlung war. Die Linke hatte bei dieser Wahl nur 32,1 Prozent erhalten, erinnerte Schubert.
Im Nachgang zur konstituierenden Sitzung des Stadtparlaments wurde gestern auch bekannt, wer künftig die Ausschüsse leiten wird. So soll Christian Seidel (SPD) den Ausschuss für Klimaschutz, Umweltschutz, Ordnung und ländliche Entwicklung (KUL) leitet. Seidel wird weiterhin dem Ausschuss für Stadtplanung und Bauen angehören, dem künftig Anita Tack (Die Linke) vorsitzen soll. Den Finanzausschuss wird Harald Kümmel leiten. Wer die Leitung des Eingabe und Beschwerde-Ausschusses übernimmt, stand Mike Schubert zufolge gestern noch nicht fest. Dem Ausschuss für Bildung und Sport wird eigenen Angaben zufolge Michael Schröder (CDU) vorsitzen. Die Leitung des Rechnungsprüfungsausschusses soll Stefan Becker (FDP/Familienpartei) übernehmen.
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