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Bald ein Schwarzbau? Die Stadtverwaltung will die Baugenehmigungen für teils recht aufwändig gestalteten Bootshäuser zurücknehmen, weil sie auf der Grundlage des Bebauungsplans entstanden sind, den das Oberverwaltungsgericht kassiert hat.

©  M. Thomas

Von Sabine Schicketanz: Stadt: Griebnitzsee-Bootshäuser illegal

Uferweg-Konflikt: Verwaltung entzieht Klage-Anrainern Baugenehmigungen / Battis kündigt Gutachten an

Stand:

Babelsberg - Im Fall Griebnitzsee geht die Stadtspitze wenige Monate vor der Oberbürgermeister-Wahl auf scharfen Konfrontationskurs: Sie entzieht den Seeanrainern die Baugenehmigungen für ihre Bootshäuser, die die Stadt selbst erteilt hatte. Das geht aus einem den PNN vorliegenden, siebenseitigen „Rücknahmebescheid“ hervor. Kommt die Verwaltung mit dem Entzug der Baugenehmigungen juristisch durch, kann sie den Abriss der damit illegalen Bootshäuser fordern. Wie viele Anrainer davon betroffen sind, ist bisher nicht bekannt. Mit der Rücknahme der Baugenehmigung wendet sich die Stadtverwaltung offenbar gegen die acht Anrainer, die im Februar 2008 vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) gegen den damals gültigen Ufer-Bebauungsplan geklagt und Recht bekommen hatten: Das OVG kassierte den Plan Ende April 2009; die Stadt habe schwere Verfahrensfehler begangen und „zu geringwertig gewichtet“, dass Uferweg und Uferpark über Privateigentum führen sollten, so die Begründung des Gerichts. Nach PNN-Informationen soll drei der acht Kläger jetzt die Bootshaus-Genehmigung entzogen werden. Einige Kläger gehören zu dem Dutzend Seeanrainer, die nach dem OVG-Urteil den Uferweg über ihre Grundstücke absperrten. Seitdem ist der Weg blockiert; Betretungsrechte für die Öffentlichkeit bestehen nicht.

Für die Stadtverwaltung ist die Lage damit eindeutig: Weil der Bebauungsplan, auf dessen Grundlage die Bootshaus-Genehmigungen erteilt worden sind, jetzt unwirksam ist, seien auch die Genehmigungen rechtswidrig. Dass sie erteilt wurden, sei im Rückblick ein „rechtswidriger Verwaltungsakt“. Einen Anspruch auf Entschädigung hätten die Anrainer, die ihre Bootshäuser nun eventuell abreißen müssen, nach Auffassung der Verwaltung nicht: Sie hätten schließlich durch ihre Klage gegen den Bebauungsplan „den Grund für die Rücknahme selbst zu vertreten“ und ihn sogar „herbeigeführt“. Der Entzug der Baugenehmigung sei auch „verhältnismäßig“, meint die Stadt Potsdam: Es werde zwar derzeit an einem neuen Bebauungsplan für das Griebnitzsee-Ufer gearbeitet, dabei sei noch nicht klar, ob dieser Bootshäuser erlauben werde. Ausgeschlossen ist dies aber offenkundig nicht. Damit ist das bizarre Szenario denkbar, wonach die Bootshäuser erst für illegal erklärt, dann womöglich abgerissen und später auf Basis des neuen B-Plans wieder aufgebaut werden könnten. Die Stadtverwaltung meint dazu, die Bootshaus-Genehmigungen müssten auch entzogen werden, um die „planungsrechtlichen Möglichkeiten“ für den neuen Bebauungsplan „nicht zu beschränken“.

Der renommierte Berliner Baurechtler Ulrich Battis nannte das Vorgehen Potsdams gestern „wirklich erstaunlich“ und kündigte an, dazu ein Gutachten anzufertigen. Die Stadtverwaltung tue so, „als ob sie auf einem weißen Blatt planen kann“, sagte er dieser Zeitung. Dabei habe das OVG bereits im Urteil gegen den Ufer-Bebauungsplan deutlich gemacht, dass „das nicht geht“. Die Stadt müsse die Bootshäuser ordnungsgemäß in die neue Planung einstellen, so Battis, der den Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Verwaltungswissenschaften an der Humboldt-Universität innehat. Vor drei Jahren hatte Battis nach einer Brandrede von TV-Moderator Günther Jauch, in der dieser Willkür und Schikane des Potsdamer Bau- und Denkmalamtes im Umgang mit Privatleuten angeprangert hatte, im Auftrag von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die Bauverwaltung untersucht. In seinem Bericht bestätigte Battis eine willkürliche Verwaltungspraxis.

Im Griebnitzsee-Konflikt geht es um den 2,8 Kilometer langen ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer am Seeufer, der auch über Privatgrundstücke verläuft. Alle Verhandlungen über einen Ausgleich von Gemeinwohl und Privateigentum scheiterten bisher. Derzeit ringt die Verwaltung mit dem Bund um seine 32 000 Quadratmeter Uferfläche, die als letzter Schlüssel zum Uferweg gelten. Die Stadt will die Flächen für 2,6 Millionen Euro kaufen, der Bund wird aber wohl ausschreiben – mit und ohne öffentlichem Wegerecht. Über den Zuschlag entscheidet noch vor der Sommerpause der Haushaltsausschuss des Bundestags.

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