Von Sabine Schicketanz: Stadt ist Höchstbietende im Griebnitzsee-Poker
Potsdam zahlt für Ufergrundstücke des Bundes maximal 3,9 Millionen Euro / Jakobs: Freier Uferweg käme großes Stück näher
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Babelsberg - Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat im Griebnitzsee-Konflikt offenbar die Quadratur des Kreises vollbracht: Der Bund verkauft seine 51 Ufergrundstücke an die Landeshauptstadt Potsdam – trägt damit dem Allgemeinwohl Rechnung – und macht trotzdem ein Geschäft, das dem „Wirtschaftlichkeitsgrundsatz“ gerecht wird. 3,26 Millionen Euro zahlt Potsdam für die knapp 32 000 Quadratmeter Uferflächen am umkämpften Griebnitzsee, maximal 626 000 Euro bekommt der Bund noch dazu, wenn die Stadt die Grundstücke, die sie für den öffentlichen Uferweg nicht benötigt, weiterverkauft. Dieser sogenannte „Besserungsschein“, den Potsdam ausstellen will, sieht vor, dass der Bund 80 Prozent des Mehrerlöses bekommt – die Stadt behält 20 Prozent. Damit könne der Bund durch die Veräußerung seiner Mauergrundstücke an die Stadt maximal knapp 3,9 Millionen Euro einnehmen. Insgesamt 3,8 Millionen Euro sollen nach BMF-Angaben in der vertraulichen Vorlage für den Haushaltsausschuss des Bundestags die 23 privaten Bieter für Einzelgrundstücke geboten haben. Das BMF betont ausdrücklich, dass damit das Angebot der Stadt Potsdam nach Berechnungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) das wirtschaftlichste sei. Der Bund verkaufe damit, wie gesetzlich vorgeschrieben, zum „vollen Wert“.
Genau dieser Punkt wird – so der Haushaltsausschuss des Bundestags bei seiner nächsten Sitzung in der kommenden Woche die Verkaufsentscheidung befürwortend zur Kenntnis nimmt – der Ansatzpunkt für Griebnitzsee-Anrainer sein, die gegen einen öffentlichen Uferweg sind. Möglich sind nach Vertragsabschluss Klagen der Anrainer gegen Bund und Bima wegen der mutmaßlichen Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Der Verkaufserlös fließt in den Mauerfonds der neuen Bundesländer.
Insgesamt sind bei dem Bieterverfahren für die Uferflächen, das die Bima vergangenen Sommer durchgeführt hatte, laut Vorlage 41 Gebote für Einzelgrundstücke eingegangen; davon wollten neun Bieter ein Grundstück mit Wegerecht für die Öffentlichkeit erwerben. Der Verkauf an die Privaten ergebe laut Bima allerdings auch zu viele Risiken; unter anderem könne die Stadt Potsdam per Vorkaufsrecht in jeden der 23 Kaufverträge einsteigen, heißt es. Dann müsste der Bund 23 Verfahren vor dem Verwaltungsgericht führen.
Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck wertete die Entscheidung des Bundes gestern als „positives Signal“ für „alle Menschen, denen der ungehinderte Zugang zu den Naturschönheiten am Herzen liegt“. Er vertraue nun darauf, dass sich der Bundestags-Haushaltsausschuss der Empfehlung des Bundesfinanzministeriums anschließe. Platzeck hatte vor einigen Monaten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in einem Schreiben darum gebeten, im Sinne des Allgemeinwohls zu entscheiden und dies über den „höchstmöglichen Verkaufserlös“ zu stellen. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs sagte, mit dem Zuschlag des Bundes wäre „der Uferweg zwar noch nicht wiederhergestellt, aber wie kämen unserem Ziel ein großes Stück näher“. Er dankte allen, die sich für den freien Weg eingesetzt haben, insbesondere der Bürgerinitiative „Griebnitzsee für alle“. Die Potsdamer Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm begrüßte die „Entscheidung zugunsten des Gemeinwohls“. Die Bundesregierung habe jedoch durch langes Verzögern – ursprünglich sollte der Zuschlag über den Mauergrundstücksverkauf im vergangenen Herbst erteilt werden – dazu beigetragen, dass die Lage am Griebnitzsee weiter eskaliert sei. Erst am Wochenende hatten zwei weitere Privateigentümer wie berichtet ihre Grundstücke abgesperrt und den letzten freien Wegeabschnitt blockiert. Auch habe die unklare Lage „Nachahmer“ am Groß Glienicker See hervorgebracht, so Behm. Dort sperren neun Anrainer den Uferweg, der ebenfalls auf dem einstigen Patrouillenweg verläuft. Anders als am Griebnitzsee gibt es in Groß Glienicke aber einen gültigen Bebauungsplan. Auf dessen Grundlage will Potsdam ab Herbst wenn nötig Enteignungsverfahren starten.
Die Bürgerinitiative „Griebnitzsee für alle“ lädt am Sonntag ab 12 Uhr zum „Glühwein im Sperrgebiet“ samt Floßfahrten an Sperrgebieten vorbei ein. Die SPD-Babelsberg veranstaltet ab 11 Uhr zudem eine Führung entlang der Sperren mit Stadthistoriker Hartmut Knitter. Treffpunkt ist vor dem Hotel am Griebnitzsee
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