Landeshauptstadt: Stadt von Samt und Seide
Maulbeeren, Mehlbeeren und Seidenraupenzucht im Mittelpunkt der 52. Dendrologischen Wintertagung
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Maulbeeren, Mehlbeeren und Seidenraupenzucht im Mittelpunkt der 52. Dendrologischen Wintertagung Der Roßkastanie, 2005 zum Baum des Jahres gewählt, geht es besser. Das sagte Prof. Dr. Klaus-Jürgen Endtmann vom Forstinstitut Eberswalde auf der Dendrologischen Wintertagung des Kulturbundes, die am Sonnabend im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im 52. Jahrgang stattfand. Auch in der auf die Sanssouci-Terrassen zulaufenden Allee sind die Schädigungen durch die Miniermotte erheblich zurückgegangen, bestätigte der stellvertretende Gartendirektor von Sanssouci, Dr. Jörg Wacker. Wacker, der dem Landesaktiv Dendrologie vorsteht, hatte auch diesmal die Leitung der Tagung übernommen. In ihrem Mittelpunkt standen Mehlbeeren und Maulbeeren und die darauf beruhende Seidenraupenzucht. Neben verschiedenen Vorträgen über Arten und Eigenschaften, Systematik, Chemie und Nutzung der Maulbeergewächse hörte das Publikum einen Beitrag des Berliner Professors Michael Seiler über die Versuche, den Seidenbau in Brandenburg heimisch zu machen. Sie begannen bereits ab 1685 unter dem Großen Kurfürsten mit der Einwanderung der französischen Hugenotten. Friedrich der Große setzte dafür rund zwei Millionen Taler ein. Zentrum der Seidenindustrie war Potsdam und Umgebung, wo 1784 schließlich 21 000 Maulbeerbäume, dazu -sträucher und -hecken standen. Allein das Große Militärwaisenhaus musste zwei riesige Plantagen an der heutigen Heinrich-Mann-Allee und weiter südlich in der Saarmunder Heide anlegen. Bereits 1730 hatte der Schutzjude David Hirsch die erste Potsdamer Samtmanufaktur gegründet. Doch der wirtschaftliche Erfolg des „mit dem Odium der Lächerlichkeit“ belasteteten gigantischen Unternehmens blieb aus. Man könnte es mit großen Förderprojekten vergleichen, die die brandenburgische Landesregierung in den letzten Jahren in den Sand gesetzt hat. Dennoch griffen Friedrichs Nachfolger die gescheiterte Idee immer neu auf. Der sonst so weitsichtige Schulrat Wilhelm von Thürk machte sich ab 1827 ebenso für die Wiederbelebung des Seidenbaus stark wie Hofgärtner Hermann Sello 1844 - 46 bei der Neugestaltung der Bornimer Feldflur, wo schließlich 12 560 weiße Maulbeeren standen. Ja, später versuchten sogar die Nazis eine Renaissance, da sie Fallschirmseide brauchten, und noch 1962 erschien in der DDR eine „Seidenbaufibel der Jungen Pioniere“. Heute erinnern nur vereinzelte Bäume an den Traum von der brandenburgischen Seide, so zwei in der ursprünglich 1784 komplett damit bepflanzten Potsdamer Maulbeerallee. In den letzten Jahren mehren sich aber Versuche, die Schwarze Maulbeere, deren Früchte wohlschmeckender sind, und die Weiße wieder verstärkt zu pflanzen. Freilich nicht als Futter für Seidenraupen, sondern als Schmuckbäume und als kulturhistorische Zeugnisse. Setzlinge von einem 170-jährigen Exemplar in Charlottenburg schmücken zahlreiche Parks der Stiftung Schlösser und Gärten. Und wer eine ganze Maulbeerallee erleben will, kann die Bornimer Feldflur durchwandern. Hier sind 1997 im Vorfeld der Buga den zwei aus Sellos Zeiten erhaltenen Exemplaren 200 Bäume hinzugepflanzt worden. E. H.
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