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Landeshauptstadt: Stadt will gegen Imbiss-Oase am Welterbe vorgehen

Nach der Pizzabude eröffnet nun auch ein Biergarten auf dem Persius-Areal unweit vom Park Sanssouci

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Innenstadt - Es ist nicht ohne Charme, dieses Gegenstück zur Potsdamer Garten- und Schlösserkultur. An der „Pizzeria am Sanssouci“, wie die kleine Imbissbude an der Hegelallee Ecke Schopenhauerstraße zunächst hieß, scheiden sich die Geister. Ein sympathisierender Besucher stellte am Mittwoch fest, das winzige Holzhaus passe farblich zu den Häusern der Umgebung – also zur Villa Tieck auf der anderen Straßenseite oder zum „Kleinen Hesse“, einem sanierten Gebäude des Hofarchitekten Ludwig Ferdinand Hesse (1795-1876) unweit der Bude.

Ab dem morgigen Freitag wird Liebhabern dieser Oase der Alltagskultur im Potsdamer Welterbemeer sogar noch mehr geboten: Dann eröffnet an der Rückseite der Pizzabude ein kleiner Biergarten. Frischer Rasen wurde angesät, ein Zeltdach aus dem Baumarkt schützt den Tresen vor dem Regen, eine niedrige Mauer aus weißen Steinen die künftigen Freiluft-Biertrinker ein wenig – sehr wenig – vor dem Verkehrslärm der nahen Kreuzung. „Heute kam die Kohlensäure, in zwei Tagen ist ein 50-Liter-Fass Warsteiner da“, berichtet die freundliche Serviererin Susanne Holldorf am Mittwoch vor Ort. Vorrätig sein werde aber auch Kindl, Jever und Becks, „demnächst auch Köstritzer“. Hinzu komme noch ein Eis-Angebot: „Was will man mehr?“, fragt die junge Frau lachend.

Viel mehr. So lautet die Antwort einer Nachbarin, die den „Kleinen Hesse“ bewohnt. „Wir hatten uns darauf verlassen, dass die Villa Persius wieder aufgebaut wird“, berichtet die Frau und ergänzt, „da sind wir nun wohl verlassen?“. Die „Pizzeria“ – wie das Häuschen an der Straßenkreuzung jetzt heißt, nachdem der Budenbetreiber die etwas schräge Grammatik bemerkte und „am Sanssouci“ notdürftig überklebte – steht direkt auf dem Grund, auf dem bis 1945 das Wohnhaus des Architekten Ludwig Persius (1803-1845) stand. Die Stadt liebäugelt seit langem mit einem Wiederaufbau der Persius-Villa.

Dass nun eher „Pizza statt Persius“ die Devise der Stunde zu sein scheint, ist überhaupt nicht nach dem Geschmack der Stadtverwaltung. Pizzabude und Biergarten „entsprechen nicht den städtebaulichen Zielen der Landeshauptstadt an dieser prominenten Stelle“, teilte Stadtsprecherin Regina Thielemann den PNN auf Anfrage mit. Es würden „Maßnahmen zur Behebung dieser Missstände“ eingeleitet, sagte die Sprecherin resolut. Eine Schankgenehmigung sei erteilt worden, versichert indes die Biergarten-Angestellte Susanne Holldorf.

Der Groll der Stadt kommt nicht von ungefähr, hat sie doch zehn Schritte weiter zum Kauf des alten DDR-Intershops und späteren Fahrradladens eine sechsstellige Summe aufgebracht – einzig mit dem Ziel, den Flachbau abzureißen und einen Park anzulegen. Welterbe verpflichtet, schließlich strömen gegenüber täglich Tausende Touristen aus aller Welt durch die Pforte zur Hauptallee des Parks Sanssouci, die Potsdamer Welterbe-Magistrale und Sichtachse schlechthin. Noch 2012 soll der Intershop abgerissen und der Park entstehen, so Stadtsprecherin Thielemann. Der Baubeigeordnete Matthias Klipp (Bündnisgrüne) sei gerade dabei, „eine Finanzierungsvariante“ zusammenzustellen.

Vis-à-vis des aufkommenden Imbiss-Paradieses hat sich sogar die Bundesregierung mit ihren Welterbe-Millionen engagiert. Die Villa Tieck, einst Wohnort des Dichters Ludwig Tieck (1773-1853), wurde aufwendig saniert, ebenso der Friedenssaal. Derzeit wird mit Bundesgeld die historische Außenmauer saniert, die das Areal der Villa Tieck und Teile des Parkes Sanssouci von der Schopenhauerstraße abtrennt. Ein Baum, eingewachsen in das Mauergestein, rief sogar Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf den Plan. Dieser hatte im Streit zwischen Umwelt- und Denkmalbehörde für oder gegen den Baum zu entscheiden. Nunmehr sind die Würfel gefallen: „Der Baum ist weg“, erklärt ein Bauarbeiter.

Rundum geht es voran, was bleibt, ist die noch zu DDR-Zeiten errichtete Imbissbude, deren Renaissance wegen der langjährigen Hinfälligkeit niemand mehr auf dem Plan hatte. Selbst die Stadtverwaltung nicht. 2011 noch hätte sie das Persius-Areal bei einer Versteigerung kaufen können. Der Hammer fiel bei 240 000 Euro, ein Schnäppchen für 995 Quadratmeter direkt „am Sanssouci“.

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