Landeshauptstadt: Stadtmauer schief, aber neu
Restaurierungsarbeiten am letzten 160 m langen Stück begannen / Spazierweg geplant
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Restaurierungsarbeiten am letzten 160 m langen Stück begannen / Spazierweg geplant Potsdams Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz bewies gestern Humor. Fröhlich schraubte sie ein „historisches Dokument“ an das Bauschild der Firma Roland Schulze, die den letzten Rest der historischen Stadtmauer sanieren wird. „Achtung! Hier lässt man seit zehn Jahren die alte Stadtmauer verfallen“, steht darauf. Darunter schrieb ein Witzbold: „Quatsch, schon immer.“ Nun hat die Bauchefin ergänzt: „Jetzt nicht mehr.“ Dieser prägnante Geschichtsabriss kann noch einige Zeit nachgelesen werden. Bis Ende Dezember sollen die Sanierungsarbeiten andauern. Potsdams historische Stadtmauer wurde 1722 unter König Friedrich Wilhelm I. gebaut. Sie sollte dienstunwillige Soldaten an der Flucht, speziell im Winter übers Eis der Havel, hindern. Im Sommer war das Wasser eine Barriere, denn wer konnte im 18. Jahrhundert schon schwimmen. Außerdem begrenzte die Mauer die Zugänge zur Innenstadt. An ihren Toren, zum Beispiel am Kellertorgebäude, wurden Steuern erhoben. Über die Jahre nagte natürlich der Zahn der Zeit an der Mauer, die sozusagen in Billigbauweise erreichtet worden war. Sie verfiel, stand aber auch neuen Straßenanlagen im Wege und so blieb nur noch das 160 Meter lange letzte zusammenhängende Stück in der Großen Fischerstraße übrig, das aber auch dringend einer Restaurierung bedurfte. Ziegel sind durch eindringendes Wasser zerfroren, Pflanzen und sogar Bäumchen zerstörten die Mauerkrone immer weiter, einige Teilabschnitte gibt es auch hier nicht mehr. Es war vor allem dem ständigen Einspruch von Potsdamer Bürgern, der Bündnisgrünen und der CDU zu danken, dass die Sanierung nun endlich in Angriff genommen wurde. Die Gesamtkosten dafür belaufen sich auf 600 000 Euro, 80 Prozent davon kommen aus dem Landesförderprogramm „Städtebauliche Erneuerung“. Die Ausschreibung entschied die Firma Roland Schulze Baudenkmalpflege GmbH für sich und wird nun geschädigte Abschnitte erneuern, Teile wiederaufbauen und das gesamte Mauerwerk mit einer Abdeckung aus Biberschwanzziegeln versehen. Insgesamt wird die Mauer neu verfugt und ein Kalkanstrich aufgetragen, der die Struktur aber noch erkennen lässt. Eine Schaustelle unweit der alten Kellertorbrücke soll zeigen, dass die Mauer eigentlich höher war. Rund 70 Zentimeter Erdreich wurden auf Straßenniveau aufgefüllt. Die auf Kalksteinfundamenten stehende Mauer neigt sich übrigens bis zu 33 Zentimeter weit zur Stadtseite hin. Dies Lust zu weiterer Schieflage wird ihr nun auch ausgetrieben, die bestehende bleibt. Es werden in besonders gefährdete Bereiche Edelstahlstäbe innen hineingefräst, die oben und unten Ankerplatten besitzen und so die schiefe Mauer von Potsdam verfestigen. Ein begrünter Spazierweg soll an der Mauer entlang führen, da die Anlage eines Uferweges durch das Weisse-Flotte- Grundstück und das der Fischer enorm erschwert wird. Hella Dittfeld
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