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KORRUPTION IN DER STADTVERWALTUNG: Stadtpolitiker wussten von Korruption Zwei Verdachtsfälle - es wird ermittelt

SPD-Chef Schubert: Oberbürgermeister informierte im Hauptausschuss über Vorfall in Ausländerbehörde

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Der mutmaßliche Korruptionsfall in der Potsdamer Ausländerbehörde war Kommunalpolitikern aller Parteien offenbar bereits seit anderthalb Jahren bekannt. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) habe die Stadtverordneten im Dezember 2007 und im Februar 2008 jeweils im nicht-öffentlichen Teil der Hauptausschuss-Sitzungen über den Vorfall informiert. Dies teilte SPD-Fraktionschef Mike Schubert gestern mit.

Schubert reagierte damit auf jüngste Äußerungen von Potsdams CDU-Vize Steeven Bretz und Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Beide hatten Aufklärung gefordert und kritisiert, dass die Stadtspitze die Öffentlichkeit nicht über den Korruptions-Verdacht informiert habe (PNN berichteten). Scharfenberg hatte gesagt, die Verwaltung sei verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren – dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen. Für Schubert ist diese Kritik nicht nachvollziehbar: „Hier scheint es nach dem Motto zu laufen: Erst nimmt man zur Kenntnis, schweigt anderthalb Jahre, und wenn es öffentliche Kritik gibt, schlägt man sich in die Büsche und greift von dort die Verwaltung an.“

Fest steht offenbar: Keiner der Stadtverordneten hat sich in den Hauptausschuss-Sitzungen für eine Information der Öffentlichkeit über den Korruptions-Verdacht eingesetzt. In den Sitzungen soll Oberbürgermeister Jakobs sogar dezidiert ausgeführt haben, dass die Vorfälle nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollten. Dem haben die Stadtverordneten offenkundig nicht widersprochen. Der Verdachtsfall in der Ausländerbehörde wurde erst nach Recherchen dieser Zeitung bekannt; auf die Veröffentlichung hatte die Stadtverwaltung mit einer eilig einberufenen Pressekonferenz reagiert. Dabei hatte die zuständige Beigeordnete Elona Müller (parteilos) die Geheimhaltung des mutmaßlichen Korruptionsfalls mit dem „Schutz der Mitarbeiter“ in der Verwaltung begründet.

Schubert forderte gestern Oberbürgermeister Jakobs auf, als Konsequenz aus den Korruptions-Verdachtsfällen – einen zweiten soll es in der Geschäftsstelle für Arbeitsmarktförderung gegeben haben – die Einführung eines Anti-Korruptionspakets in der Stadtverwaltung zur Chefsache zu machen. Nur so könnten „die vielen redlichen Mitarbeiter“ vor einem Generalverdacht geschützt werden, so Schubert. Über das Anti-Korruptionspaket müssten zudem Stadtverordnete und Öffentlichkeit informiert werden.

Zum Anti-Korruptionspaket soll nach bisherigen Angaben der Beigeordneten Müller ein externer Korruptions-Ombudsmann gehören, der bis September per Ausschreibung gefunden werden solle. Zudem soll in der Verwaltung ein neuer Korruptionsbeauftragter bestimmt werden – er soll aus dem Rechnungsprüfungsamt kommen, das künftig mit der Korruptionsprävention betraut sein soll. Das Amt soll auch die entsprechende Dienstanweisung für die 1700 Verwaltungsmitarbeiter aktualisieren.

Erst im April 2009 hatten Potsdams Stadtverordnete auf Antrag der Grünen beschlossen, dass die Stadt der Anti-Korruptions-Organisation „Transparency International“ beitreten soll. Die Aufnahme-Kriterien allerdings erfüllt die Stadt bisher offenbar nicht.

Die mutmaßlichen Korruptionsfälle sollen sich in der Ausländerbehörde und in der Geschäftsstelle für Arbeitsmarktförderung des Rathauses ereignet haben. In der elfköpfigen Ausländerbehörde soll der Sachbearbeiter Michael E. vor Herbst 2007 unter anderem Aufenthaltsgenehmigungen gegen Geld ausgestellt haben. Die Staatsanwaltschaft geht von 30 bis 35 Fällen aus. Die ehemalige Leiterin der Arbeitsmarkt-Geschäftsstelle soll im Dezember 2005 gegen ein Geschenk rund 3300 Euro aus der Stadtkasse veruntreut haben. Beide Mitarbeiter wurden entlassen, gegen beide wird ermittelt. Im Fall des ehemaligen Sachbearbeiters der Ausländerbehörde hofft die Staatsanwaltschaft Neuruppin, in „zwei bis drei Wochen“ eine Tendenz für weitere Schritte zu erkennen, so Sprecher Steffen Heidenreich. Seit anderthalb Jahren prüften Staatsanwaltschaft und Stadt damals ausgestellte Aufenthaltsgenehmigungen. Die Ex-Geschäftsstellen-Leiterin muss sich am 21. Juli vor Gericht verantworten. HK/SCH

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