zum Hauptinhalt
Die Blicke der Akteure richten sich derzeit auf das Ufer des Jungfernsees. Der Verkauf der Bertiniweg-Grundstücke ist zu einem Debakel für die Stadt geworden.

© Manfred Thomas

Fall Bertiniweg: Stadtspitze gerät unter Druck

Potsdams Stadtverordnete sehen politische Vorgaben missachtet. CDU wirft Exner schlechten Stil vor

Stand:

Nauener Vorstadt - Im Fall Bertiniweg wächst der Druck auf die Stadtspitze um Oberbürgermeister Jann Jakobs und Bürgermeister Burkhard Exner (beide SPD). Im Hauptausschuss erhoben die Fraktionschefs von Linke, CDU, Bündnis 90/Grüne und Bürgerbündnis am Mittwochabend schwere Vorwürfe insbesondere gegen Exner, der auch Vorgesetzter des Rechtsamts ist. Exner stehe für eine „Piesackerei von Bürgern, die es wagen, Ihrer Verwaltung die Stirn zu bieten“, sagte CDU-Fraktionchef Michael Schröder. Es sei „kein Einzelfall, wie Sie mit Bürgern dieser Stadt umgehen“. Das sei „die größe Unverschämtheit“, so der Christdemokrat, sichtlich in Rage.

Auch Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sprach von einem „unhaltbaren Zustand“ und einer „ganzen Reihe von schwerwiegenden Irrtümern“. Ein solcher Fall dürfe sich nicht wiederholen. Scharfenberg hatte das Thema Bertiniweg mit einem Antrag, wonach die Verwaltungsspitze die „persönliche Verantwortlichkeit“ für das dubiose Grundstücksgeschäft offenlegen soll, auf die Tagesordnung geholt. Dem Antrag stimmte der Hauptausschuss einstimmig zu.

In der Sache brachten die Aussagen von Exner im öffentlichen Teil der Sitzung freilich wenig Aufklärung. Auch auf die Vorwürfe reagierte der Bürgermeister kaum; er verwies auf die nicht-öffentliche Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses am heutigen Donnerstagabend, in der er Details erläutern wolle. „Es soll mir sehr recht sein, dass wir alles genau angucken“, so Exner. Die Überprüfung des Grundstücksgeschäfts durch das Rechnungsprüfungsamt hatten die Stadtverordneten beauftragt.

Der Fall Bertiniweg macht seit Wochen Schlagzeilen – dabei sind eine ganze Reihe von Umständen ungeklärt; die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft in Vorermittlungen, ob sie Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue aufnimmt. Zugleich hat die Kommunalaufsicht des Landes, nachdem sie die Unterlagen von der Stadt angefordert hatte, jüngst festgestellt, dass der Grundstücksverkauf „schwebend unwirksam“ sei (PNN berichteten). Verkauft hatte die Stadt Potsdam die knapp 12 000 Quadratmeter Fläche am Bertiniweg in unmittelbarer Nähe des Jungfernsees im Frühjahr 2011. Der Zuschlag ging für 875000 Euro an die Potsdamer Firma BTW Projektentwicklung GmbH – das entspricht einem Quadratmeterpreis von 75,40 Euro. Stadtverordnete ziehen die Rechtmäßigkeit dieses Wertes in Zweifel, weil die Stadt Abschläge in empfindlicher Höhe gewährt hatte. Auch die Kommunalaufsicht kommt zu dem Schluss, dass ein von der Stadt selbst in Auftrag gegebenes Gutachten einen Rohbauland-Preis von 1,2 Millionen Euro ermittelt hatte. Mindestens diesen Preis hätte die Stadt auch geltend machen müssen.

Vielleicht schwerwiegender sind weitere Umstände: Während die Stadtverordneten noch im Januar 2011 die Stadtspitze aufgefordert hatten, die Interessen jener zehn Nutzer der Grundstücke – drei von ihnen haben mit Erlaubnis der Stadt dort Häuser errichtet – zu wahren, tat die Verwaltung nach Ansicht von Ute Bankwitz, Chefin der Fraktion Bürgerbündnis, Gegensätzliches und folgte damit einer „klaren politischen Vorgabe“ nicht. So enthält der Kaufvertrag zwischen Stadt und BTW Projektentwicklung GmbH wie berichtet keine Verpflichtung für die Käufer, eine festgelegte Entschädigungssumme an die Grundstücksnutzer zu zahlen. Außerdem vertrat die Verwaltung die Auffassung, dass den Käufern kein Vorkaufsrecht für ihre Flächen zustehe. Dagegen ging eine Bertiniweg-Familie vor Gericht; erst jüngst entschied auch das Landgericht im Eilverfahren, dass der Familie ein Vorkaufsrecht zusteht. Exner verwies auch am Mittwochabend noch einmal darauf, dass im Kaufvertrag ein Vorkaufsrecht verankert sei – allerdings bezieht sich dies offenbar nicht auf den Preis, zu dem die Stadt die Flächen veräußert hat. Stattdessen sollen die Käufer laut Vertrag berechtigt sein, den Nutzern zum Verkehrswert die Quadratmeter zu veräußern. Im Klartext: Statt 75 Euro würden sie jetzt wohl 300 Euro pro Quadratmeter zahlen – für diese Summe, so CDU-Fraktionschef Schröder, seien Teile des Grundstücks weiter veräußert worden.

Ob der Stadt jetzt auch Schadensersatzforderungen von Käuferseite drohen, blieb am Mittwoch offen. Die Stellungnahme der Kommunalaufsicht könnte bedeuten, dass die drei Eigenheim-Besitzer das Vorkaufsrecht für ihre insgesamt 2400 Quadratmeter Grundstücke erhalten. In diesem Fall ginge der BTW GmbH Erlöse verloren, erklärt der Bürgerbündnis-Stadtverordnete Wolfhard Kirsch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })