Landeshauptstadt: Stadtspitze unter Druck
Vor einem Monat legte der Baurechtler Battis seinen Bericht vor – noch immer befindet sich Oberbürgermeister Jakobs in Erklärungsnöten
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Im Potsdamer Rathaus kehrt keine Ruhe ein: Die Stadtspitze um Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) steht auch einen Monat nach Veröffentlichung des Battis-Berichts über die Missstände im Denkmalamt und die „Schwarz-Sanierung“ der Villa Gericke weiter unter Druck. Trotz zweistündiger Debatte in der Sondersitzung des Hauptausschusses am Mittwochabend und dem politischen Appell, zum Wohle der Stadt einen „Schlussstrich“ zu ziehen, gärt es besonders im Fall Villa Gericke immer noch.
Auch am Mittwochabend konnte sich der Oberbürgermeister kaum aus der Erklärungsnot befreien, in der er sich befindet, seit der „Spiegel“ Ende Mai berichtet hatte, Jakobs habe den Investor der Villa Gericke begünstigen wollen. Zwar veröffentlichte der „Spiegel“ in seiner jüngsten Ausgabe einen Leserbrief des Oberbürgermeisters, in dem dieser die Vorwürfe zurückweist, in Potsdam aber stehen sie dennoch im Raum: Hat sich Jakobs über Gebühr für die Villa Gericke-Bauherren, den Insolvenzrechtler Jörg Zumbaum und seine Frau, eingesetzt – und wenn ja, aus welchen Beweggründen?
Wer Antworten sucht, findet sich schnell in einer Grauzone. Denn rein juristisch ist das Agieren des Oberbürgermeisters – zumindest nach den bisher bekannten Vorgängen – nicht zu beanstanden. Dies hat der renommierte Bau- und Verwaltungsrechtler Prof. Ulrich Battis in seinem Bericht festgestellt. Wer anderes behauptet, arbeite mit Unterstellungen, hatte nicht nur Battis selbst entsprechende Nachfragen gekontert. Am Mittwochabend im Hauptausschuss schwenkte auch die Rathaus-Opposition auf diesen Kurs ein: Hans-Jürgen Scharfenberg, Fraktionschef der Linken, sagte explizit, er sehe nicht, dass Jakobs den Bauherren der Villa Gericke einen Vorteil verschaffen wollte. Allerdings hätte Scharfenberg auch ganz anders reagieren können: Er sprach ein bisher nicht bekanntes Treffen an, das am 19. Februar dieses Jahres stattgefunden haben soll. Dabei soll Jakobs mit der Baubeigeordneten Elke von Kuick-Frenz (SPD) und dem Leiter der Denkmalschutzbehörde Andreas Kalesse über das Thema Steuerabschreibungen für Denkmalsanierer gesprochen haben. Dies räumte Jakobs am Mittwochabend auch ein: Das Treffen habe es gegeben, man habe über den Bearbeitungsstau in der Denkmalbehörde und die rigidere Praxis der Finanzämter gesprochen, so der Oberbürgermeister. Die Villa Gericke aber habe „überhaupt keine Rolle gespielt“.
Im Protokoll des Verwaltungstreffens soll sich das allerdings anders lesen: Danach habe man über die Villa Gericke – namentlich den bis zu diesem Zeitpunkt nicht erteilten Bescheid zur Steuerabschreibung für die Bauherren – sehr wohl gesprochen. Auch sollen Gründe dafür genannt worden sein, dass noch kein Steuerbescheid für den Rohbau der sanierten Villa ausgestellt werden kann.
Zu den widersprüchlich erscheinenden Aussagen will Oberbürgermeister Jakobs heute eine Stellungnahme abgeben. Dabei stellt sich vor allem die Frage, warum Jakobs mit seiner Dienstanweisung vom 26. März 2007 die Denkmalschutzbehörde angewiesen hat, die Unterlagen der Villa Gericke-Bauherren zur Steuerabschreibung „umgehend zu bearbeiten“ – obwohl er bereits nach dem Treffen am 19. Februar gewusst haben soll, dass die Behörde den Steuerbescheid zunächst ablehnte und warum sie ihn ablehnte.
Bisher und auch am Mittwochabend hatte Jakobs dies so erklärt: Er habe sich nicht im Detail über die Problematik informieren lassen, hatte aber „den Eindruck, dass es aus mir unbekannten Gründen zögerlich behandelt“ werde. Aus heutiger Sicht, so Jakobs weiter, würde er eine solche Dienstanweisung wieder erteilen – aber den Sachverhalt vorher genauer prüfen lassen.
Diese Darstellung konnte allerdings nicht alle Zweifel zerstreuen: Denn fest steht, dass ein Mitarbeiter der Denkmalbehörde am 16. März 2007 den Bauherren geschrieben hat, dass noch keine Steuerbescheinigung ausgestellt wird – da die Baumaßnahme noch nicht beendet sei. Baurechtler Battis bewertet dies im Nachhinein als korrekt. Zehn Tage später, am 26. März 2007, erteilt der Oberbürgermeister die Dienstanweisung, nach der die Unterlagen der Bauherren „umgehend zu bearbeiten“ sind – und am 25. April 2007 erteilt die Denkmalschutzbehörde trotz der vorherigen Ablehnung den Steuerbescheid doch. Während Jakobs weiter betont, er habe mit der Dienstanweisung nur die Bearbeitung der Unterlagen angeordnet, und nicht das Ergebnis, sieht Stadtverordnete Ute Bankwitz (Bürgerbündnis/FDP) dies anders: „Es bedarf keiner Anweisung, außer ich will etwas anderes als der Bearbeiter“, sagte sie am Mittwochabend.
Belegen lässt sich dies nicht. So muss die Frage, ob der Oberbürgermeister im Fall Villa Gericke vielleicht zu weit gegangen ist, offiziell mit Nein beantwortet werden. Aber angesichts der weiteren Vorfälle im Zusammenhang mit der Villa – aus Mangel an Beweisen eingestellten Ordnungswidrigkeitsverfahren und ein angeblich angedrohtes Bußgeld von bis zu 500 000 Euro, das aber nicht ausgesprochen wurde – lassen sich anders lautende Vermutungen so leicht nicht aus der Welt schaffen.
Damit hat es die Rathaus-Opposition leicht: Sie kann sich politisch fair geben, auf Sacharbeit setzen – denn der Druck auf Jakobs ist schon groß genug.
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